Der Medicus von Saragossa
sei.
Wenn er dem jungen Priester gewisse Dinge verschwieg, dann nur, weil er spürte, daß es auch Dinge gab, über die Padre Espina sich nicht frei zu sprechen gestattete. Doch Jona erfuhr, daß er nur vorübergehend zur Inquisition versetzt worden sei und für ihr Tun wenig übrig habe.
Erst vor acht Monaten sei er zum Priester geweiht worden. »Ich werde in ein paar Tagen von hier weggehen. Einer meiner Lehrer, Padre Enrique Sagasta, wurde zum Weihbischof von Toledo ernannt. Er hat mich zu seinem Helfer erkoren. Er ist ein berühmter katholischer Gelehrter und Historiker und fördert mich in meinem Wunsch, ihm nachzufolgen. So werde ich ebenfalls zum Lehrling, wie Ihr einer wart.«
»Euer Vater wäre stolz auf Euch, Padre Espina.«
»Ich kann Euch nicht genug danken, Señor. Ihr habt mir meinen Vater zurückgegeben.«
»Darf ich morgen wiederkommen, um meine Patienten zu besuchen?«
Padre Espina war sichtlich verlegen. Jona wußte, daß er nicht undankbar erscheinen wollte, jedoch auch nicht zuviel gestatten konnte, ohne sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. »Ihr könnt morgens noch einmal kommen. Aber ich muß Euch warnen, es kann gut der letzte Besuch sein, der Euch gestattet wird.« Als er am nächsten Morgen wiederkehrte, erfuhr er, daß Doña Sancha Berga in der Nacht gestorben war.
Don Berenguer nahm die Nachricht vom Tod seiner Mutter gelassen auf. »Ich bin froh, daß sie frei ist«, sagte er.
Den überlebenden Familienmitgliedern hatte man an diesem Morgen mitgeteilt, daß sie rechtskräftig wegen Ketzerei verurteilt waren und man sie demnächst bei einem Autodafé hinrichten würde. Jona wußte, es gab keine taktvolle Art, über das zu sprechen, was seine Seele belastete.
»Don Berenguer, Verbrennen ist die schlimmste Art zu sterben.«
Sie sahen sich an und wußten beide, was es bedeutete: schreckliche, lang dauernde Schmerzen, verkohlendes Fleisch, kochendes Blut.
»Warum sagt Ihr mir etwas so Grausames? Glaubt Ihr, ich weiß das nicht?«
»Es gibt eine Möglichkeit, dem zu entkommen. Ihr müßt Euch wieder mit der Kirche versöhnen.«
Berenguer schaute ihn an und sah einen vorwufsvollen Christen, den er zuvor noch nicht gekannt hatte. »Muß ich das wirklich, Señor?« fragte er kalt. »Es ist zu spät. Das Urteil ist in Erz gegossen.«
»Zu spät, um Euer Leben zu retten, aber nicht zu spät, um Euch ein schnelles Ende durch die Garrotte zu erkaufen.«
»Glaubt Ihr, ich habe mir nur aus einer Laune heraus ins Fleisch geschnitten und mich an den Glauben meiner Mutter gebunden, nur um ihm gleich wieder zu entsagen? Habe ich Euch nicht von meiner Entschlossenheit erzählt, als Jude zu sterben?«
»Ihr könnt in Eurem Herzen als Jude sterben. Ihr braucht ihnen nur zu sagen, daß Ihr bereut, und könnt Euch so Erleichterung erkaufen. Ihr seid auf ewig Jude, weil nach dem jüdischen Gesetz der Glaube von der Mutter an das Kind weitergeben wird. Wie Eure Mutter von einer jüdischen Mutter geboren wurde, so auch Ihr. Keine Erklärung kann das ändern. Nach dem uralten Gesetz Moses seid Ihr ein Jude, und indem Ihr sagt, was sie hören wollen, erkauft Ihr Euch nur eine schnelle Erdrosselung und entgeht der Qual eines langsamen und schrecklichen Todes.«
Berenguer schloß die Augen. »Und doch wäre es der Weg eines Feiglings, der mich des letzten edlen Augenblicks, der einzigen Befriedigung, die ich in meinem Sterben finden kann, berauben würde.«
»Nein, feige wäre es nicht. Die meisten Rabbis sind der Ansicht, daß es keine Sünde ist, wenn man unter Zwang konvertiert.«
»Was wißt Ihr denn von Rabbis und dem mosaischen Gesetz?« Berenguer starrte ihn an. Jona sah in den Augen des anderen Mannes, wie ihm die Erkenntnis dämmerte.
»Mein Gott«, sagte Berenguer.
»Könnt Ihr Euch mit den anderen Mitgliedern Eurer Familie in Verbindung setzen?«
»Manchmal führt man uns zur gleichen Zeit in den Hof. Dort ist es möglich, ein paar Worte zu wechseln.«
»Ihr müßt ihnen sagen, daß sie Jesus suchen sollen, um die Gnade eines schnelleren Todes zu erlangen.«
»Meine Schwester Monica und ihr Mann Andres sind fromme Christen. Ich werde meinem Bruder Geraldo raten zu tun, was Ihr vorschlagt.«
»Man wird mir nicht mehr gestatten, Euch noch einmal zu besuchen.« Jona ging zu Berenguer, umarmte ihn und küßte ihn auf beide Wangen.
»Auf daß wir uns an einem glücklicheren Ort wiedersehen«, sagte Don Berenguer. »Gehet in Frieden.«
»Der Friede sei mit Euch«, erwiderte Jona und
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