Der Medicus von Saragossa
einen Juden oder eine Jüdin aufzunehmen, ihnen Schutz oder Obdach zu gewähren oder ihn zu verteidigen ... bei Androhung des Verlustes von Grundbesitz, Vasallen, Schlössern und anderer Habe.«
Alle Christen wurden eindringlich davor gewarnt, falsches Mitgefühl walten zu lassen. Es wurde ihnen verboten,
»mit Juden... Umgang zu pflegen oder sich zu unterhalten oder sie in ihren Häusern aufzunehmen, ihnen behilflich zu sein oder ihnen Nahrung irgendeiner Form für ihr leibliches Wohl zugeben«.
Die Verlautbarung war ausgegeben worden
»auf Befehl des Königs und der Königin, unseren Herrschern, und des Hochwürdigen Priors von Santa Cruz, dem Generalinquisitor in allen Königreichen und Ländereien Ihrer Majestäten«.
Der Rat der Dreißig, der die Juden Toledos regierte, bestand aus je zehn Vertretern der drei Stände – angesehene städtische Führer, Kaufleute und Handwerker. Helkias gehörte dazu, weil er zu den Meistern der Silberschmiedekunst gehörte, und die Versammlung wurde in seinem Haus abgehalten.
Die Ratsmitglieder waren bestürzt.
»Wie kann man uns so kaltherzig aus einem Land vertreiben, das uns soviel bedeutet und an dem wir einen so wesentlichen Anteil haben?« fragte Rabbi Ortega stockend.
»Dieses Edikt ist nur wieder eine königliche List, um uns Geld abzupressen«, sagte Juda ben Salomo Avista. »Die spanischen Könige haben uns schon immer ihre ertragreiche Milchkuh genannt.«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich. »Zwischen den Jahren 1482 und 1491«, sagte Joseph Lazara, ein betagter Mehlhändler aus Tembleque, »haben wir zu den Kriegsanstrengungen nicht weniger als achtundfünfzig Millionen Maravedi beigetragen, und noch einmal zwanzig Millionen in erzwungenen Krediten. Immer wieder hat sich die jüdische Gemeinschaft stark verschuldet, um irgendeine maßlose sogenannte Steuer zu bezahlen, oder, als Gegenleistung für unser Überleben, dem Thron ein ›Geschenk‹ zu machen. Jetzt ist es wohl wieder einmal soweit.«
»Wir müssen uns an den König wenden und ihn um sein Eingreifen bitten«, sagte Helkias.
Die Räte besprachen, wer die Bitte vorbringen sollte, und man einigte sich schließlich auf Don Abraham Seneor.
»Er ist der jüdische Höfling, den Seine Majestät am meisten liebt und bewundert«, sagte Rabbi Ortega, und viele Köpfe nickten zustimmend.
2. Veränderungen
A chtzig Jahre schon lebte Abraham Seneor, und obwohl sein Verstand frisch und scharf war, war sein Körper sehr müde. Sein Werdegang als Diener des Monarchen in schwierigen und gefährlichen Angelegenheiten hatte damit begonnen, daß er eine geheime Hochzeitszeremonie arrangierte, mit der am 19. Oktober 1469 Vetter und Base vereinigt wurden, nämlich die achtzehnjährige Isabella von Kastilien und der siebzehnjährige Ferdinand von Aragõn. Die Hochzeit hatte heimlich stattfinden müssen, weil sie dem Willen des Königs, Heinrich IV. von Kastilien, widersprach. Heinrich hatte seine Halbschwester mit König Alfonso von Portugal vermählen wollen. Die Infantin hatte sich geweigert und Heinrich gebeten, sie als Thronerbin von Kastilien und Leon einzusetzen, wobei sie ihm versprach, nur mit seiner Zustimmung zu heiraten. Heinrich IV. von Kastilien hatte keine Söhne (seine Untertanen verspotteten ihn als Heinrich den Impotenten), aber er hatte eine Tochter, Juana, angeblich das unrechtmäßige Kind seiner Geliebten Beitrán de la Cueva. Als Heinrich versuchte, Juana als seine Erbin einzusetzen, brach ein Bürgerkrieg aus. Die Adligen versagten Heinrich die Gefolgschaft und erkannten als ihren Herrscher Isabellas zwölf Jahre alten Bruder Alfonso an. Nach nur zwei Jahren wurde Alfonso, Isabellas einziger Blutsverwandter, tot in seinem Bett aufgefunden, angeblich vergiftet.
Isabella war nicht zur künftigen Monarchin erzogen oder ausgebildet worden, aber bald nach dem Tod ihres Bruders hatte sie Abraham Seneor gebeten, die geheimen Verhandlungen mit den einflußreichen Höflingen Aragõns einzuleiten, die schließlich zu ihrer Heirat mit Ferdinand, Prinz von Aragõn, führten. Beim plötzlichen Tod Heinrichs IV. am 11. Dezember 1474 in Madrid war Isabella in Segovia. Als sie die Nachricht hörte, erklärte sie sich ohne Zögern zur Königin von Kastilien. Zwei Tage später zog sie, umringt von einer jubelnden Menge, ihr Schwert, hielt es mit dem Heft nach oben über ihren Kopf und führte so eine Prozession zur Kathedrale von Segovia. Das Parlament, die Cortes, schwor ihr sofort die Treue.
Im Jahr 1479
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