Der Medicus von Saragossa
Leben, wie die Juden es in Spanien in den letzten hundert Jahren nicht mehr hatten führen können.
In einem Buch des arabischen Autors Khordabbek, das er mitten unter den religiösen Traktaten im Studienhaus gefunden hatte, hatte er über jüdische Händler und Kaufleute gelesen:
Sie schiffen sich ein im Lande der Franken, am westlichen Meer, und steuern nach Farama. Dort laden sie ihre Waren auf den Rücken von Kamelen und ziehen über Land nach Kolzum, was eine fünftägige Reise über eine Entfernung von fünfundzwanzig Farsakh ist. Am Roten Meer gehen sie wieder an Bord eines Schiffes und segeln von Kolzum nach Eltar und Jeddah. Dann reisen sie nach Sind, Indien und China.
Er würde sehr gern Kaufmann werden. Wenn er Christ wäre, würde er lieber Ritter werden – natürlich einer, der keine Juden tötete. Bestimmt war ein Leben als Kaufmann oder Ritter voller Wunder.
Doch wenn er in die Wirklichkeit zurückkehrte, wußte Jona, daß sein Vater recht hatte. Es hatte keinen Sinn, herumzusitzen und zu träumen. Es gab viel zu tun, denn die Grundfesten ihres Lebens waren dabei einzustürzen.
3. Der Tag des Aufbruchs
J ona wußte, daß viele Leute ihre Heimat bereits verließen. Auf der Straße vor Toledo waren zuerst nur vereinzelte Reisende zu sehen, dann wurde daraus ein Rinnsal und schließlich eine Flut von Juden bei Tag und Nacht, eine Vielzahl von Fremden aus weiter Ferne, die nach Westen in Richtung Portugal oder nach Osten zu den Schiffen zogen. Der Lärm, den die Durchreisenden machten, war bis in die Stadt zu hören. Sie ritten auf Pferden und Eseln, saßen auf Säcken mit ihrer Habe in Ochsenkarren, sie marschierten, schwere Lasten auf dem Rücken, unter der heißen Sonne, einige taumelten, andere stürzten. Manchmal sangen Frauen und Knaben und schlugen Trommeln und Tamburine, um sich Mut zu machen für den Marsch.
Frauen brachten am Straßenrand Kinder zur Welt, und Menschen starben unterwegs. Der Toledaner Rat der Dreißig gestattete den Durchreisenden, ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof zu begraben, aber oft konnten sie ihnen keine andere Hilfe anbieten, nicht einmal einen Minjan, um das Kaddisch zu beten. Zu anderen Zeiten hätte man Reisenden in Not Unterstützung und Gastfreundschaft angeboten, jetzt aber brachen die Juden Toledos selber auf oder bereiteten sich auf die Abreise vor und hatten genug mit ihren eigenen Problemen zu tun.
Die Dominikaner und die Franziskaner, hoch erfreut über diese Vertreibung, für die sie gebetet und gearbeitet hatten, machten sich voller Eifer daran, so viele jüdische Seelen wie möglich zu ernten. Auch einige Juden in Toledo, die lange Zeit Freunde von Jonas Familie gewesen waren, betraten die Kirchen der Stadt und erklärten sich zu Christen – Menschen, mit denen die Toledanos das Brot gebrochen hatten, mit denen sie in der Synagoge gebetet und mit denen sie darüber geflucht hatten, daß man sie zwang, das gelbe Abzeichen eines geächteten Volkes zu tragen. Fast ein Drittel der Juden konvertierte, die einen, weil sie die schrecklichen Gefahren der Reise fürchteten, die anderen aus Liebe zu einem Christen oder einer Christin oder weil sie Rang und Reichtum erworben hatten, die sie nicht wieder aufgeben wollten, und wieder andere, weil sie nicht mehr verachtet werden wollten.
Juden in hoher Stellung wurden zur Konversion gedrängt und gezwungen. Eines Abends kam Jonas Onkel mit einer bestürzenden Nachricht zu Helkias.
»Rabbi Abraham Seneor, sein Schwiegersohn Rabbi Meir Melamed und ihre Familien sind Katholiken geworden.«
Isabella hatte den Gedanken nicht ertragen können, ohne die Männer zu sein, die so viel für sie getan hatten, und es ging das Gerücht, sie habe mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die Juden gedroht, falls die beiden sich weigerten zu konvertieren. Es war bekannt, daß die Herrscher persönlich die öffentlichen Bekehrungszeremonien arrangiert und besucht und bei der Taufe als Paten gedient hatten.
Rabbi Seneor hatte sich den Namen Fernando Nuñez Coronel zugelegt, und Rabbi Melamed nannte sich nun Fernando Perez Coronel.
Einige Tage später wurde Seneor zum Gouverneur von Segovia, zum Mitglied des Königlichen Rats und zum Schatzmeister des Kronprinzen ernannt. Melamed wurde Königlicher Oberbuchhalter und ebenfalls ständiges Mitglied des Königlichen Rats.
Isaak Abravanel weigerte sich zu konvertieren. Er und seine Brüder Joseph und Jakob erließen dem Königspaar ihre beträchtlichen Schulden und durften als
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