Der Medicus von Saragossa
konnte, und es war viel mehr als das, was raffgierige Spekulanten ihm geboten hatten.
Er ging auf den Mann zu, küßte seine rasierte christliche Wange und hielt ihn lange in seinen Armen.
Jona fiel auf, daß die Augen seines Vaters wieder leuchteten. Helkias saß mit Aaron zusammen, und die beiden überlegten, wie sie ihre Familie retten konnten. Die Not war groß, doch Helkias war entschlossen, ihr mit all seiner Tatkraft zu begegnen.
»Normalerweise dauert die Reise nach Valencia zehn Tage. Jetzt, da die Straßen verstopft sind von Menschen, die alle zeitig ankommen wollen, dauert dieselbe Reise zwanzig Tage, man braucht doppelt so viel Essen, und auch die Gefahren verdoppeln sich.«
Aaron hatte auf seinem Hof zwei Packesel und ein Paar guter Pferde, die er und seine Frau Juana reiten wollten. Benito Martin hatte an Helkias' Stelle zwei zusätzliche Pferde und ein Paar Esel für viel weniger Geld gekauft, als man von einem Juden verlangt hätte, und Helkias bezahlte seinem Nachbarn Marcelo Troca eine unglaubliche Summe, damit er die vier Tiere auf dessen Weide grasen lassen konnte.
Helkias sagte seinem Bruder, daß sie Mittel und Wege finden mußten, um noch mehr Geld aufzutreiben. »Wenn wir den Hafen erreichen, werden die Schiffskapitäne uns gegenüber alles andere als mildtätig sein. Für unsere Überfahrt brauchen wir viel Geld. Und wenn wir dann unseren Zufluchtsort erreichen, brauchen wir Geld für unseren Lebensunterhalt, bis wir für unser tägliches Brot wieder arbeiten können.«
Die einzig mögliche Geldquelle waren die unbezahlten Schulden von Helkias' Kunden, und Jona setzte sich mit seinem Vater zusammen und stellte eine Liste all dieser Kunden und der geschuldeten Summen auf.
Die größte Schuld war die des Grafen Fernán Vasca von Tembleque. »Er ist ein anmaßender Edelmann, der mich zu sich bestellte, als wäre er der König, und mir jedes Stück genau beschrieb, das ich ihm anfertigen sollte. Jetzt aber läßt er sich Zeit, auch nur einen Sueldo seiner Schuld zu bezahlen. Wenn ich diese Schuld eintreiben kann, haben wir mehr als genug.«
An einem strahlenden Julitag ritt Jona mit seinem Vater nach Tembleque, einem Dorf außerhalb Toledos. Er war es nicht gewohnt, auf einem Pferd zu reiten, aber die Tiere waren fügsam, und er saß stolz wie ein Ritter auf dem abgenutzten Sattel. Die Landschaft war wunderschön, und trotz der Sorgen, die Helkias belasteten, konnte er unterwegs ein Lied anstimmen. Er sang ein Lied des Friedens.
Oh, der Wolf wird zu Gast sein bei dem Lamme Und der Panther bei dem Böcklein lagern. Kuh und Bärin werden sich befreunden, Der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind...
Jona liebte es, die tiefe Stimme diese wohlklingenden Zeilen singen zu hören. So wird es auch auf dem Ritt nach Valencia sein, dachte er voller Freude.
Während sie so dahinritten, erzählte Helkias seinem Sohn, daß er sich seinem Freund Rabbi Ortega anvertraut habe, als Graf Vasca ihn zum ersten Mal nach Tembleque bestellte, denn der Rabbi konnte ihm einiges Interessante über den Grafen berichten.
Rabbi Ortega habe einen Neffen, einen jungen Gelehrten namens Asher ben Yair, der nicht nur in der Tora bewandert sei, sondern auch in mehreren Sprachen. »Es ist schwer für einen Gelehrten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen«, sagte Helkias, »und als Asher eines Tages hörte, daß ein Edelmann in Tembleque einen Schreiber anstellen wolle, ritt er deshalb dorthin und bot seine Dienste an.«
Der Graf von Tembleque sei schon immer stolz auf sein kriegerisches Können gewesen, erzählte Helkias seinem Sohn. Er hatte gegen die Mauren gekämpft und war weit gereist, um an Ritterturnieren teilzunehmen, von denen er viele gewonnen hatte. Aber er war immer auf der Suche nach etwas Neuem gewesen, und im Frühjahr 1486 erfuhr er von einem Turnier ganz anderer Art, einem poetischen Turnier, bei dem die Teilnehmer mit Gedichten anstelle von Lanzen und Schwertern gegeneinander antraten.
Das Turnier hieß juegos flores – die Blumenspiele. Begonnen hatte man damit im Frankreich des vierzehnten Jahrhunderts, als einige junge Edelmänner in Toulouse beschlossen, Dichter einzuladen, um sich von ihnen ihre Werke vortragen zu lassen. Dem Gewinner winkte als Siegespreis ein Veilchen aus reinem Gold.
Das Turnier wurde in regelmäßigen Abständen in Frankreich abgehalten, bis Violante de Bar, Königin von Katalonien und Aragõn und Frau König Johanns L, den Dichterwettbewerb und einige der französischen
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