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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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gestutztem Bart aussehen mochte, traf ihn die Erinnerung wie ein Schlag. Es war das Bild seiner sterbenden Mutter und des Mannes, der viele Wochen lang täglich zu ihnen gekommen war, um sich über Esther Toledano zu beugen und ihr Medizin einzuflößen.
    Der Gefangene war Bernardo Espina, der ehemalige Arzt von Toledo.

3. Der Festtag
    N achts schlief Jona auf dem Steinboden des Verhörzimmers. Einmal am Tag holte er Essen, das die Frau von Gato, der Nachtwache, kochte, und gab es den Gefangenen. Er aß, was sie aßen, und gab manchmal sogar seine Portion an Mose ab, um dessen karge Kost aus unkrautreichem Gras etwas aufzubessern. Insgeheim aber wartete er auf eine günstige Zeit zur Flucht. Paco sagte, daß es bald ein großes Autodafé geben werde, das viele Leute in die Stadt lockte. Das schien Jona ein guter Zeitpunkt zu sein.
    Unterdessen hielt er das Gefängnis sauber, und da Isidoro mit seiner Arbeit zufrieden war, ließ er ihn in Ruhe. In seinen ersten Tagen wurden die Diebe von Paco und Gato kräftig verprügelt und dann freigelassen. Auch der Säufer wurde freigelassen, nur um drei Tage später betrunken und wild schreiend in eine andere Zelle einzuziehen.
    Mit der Zeit erfuhr Jona aus den gemurmelten Flüchen und Unterhaltungen zwischen Isidoro und seinen Männern, welche Verbrechen man einigen der Neuen Christen zur Last legte. Ein Fleischer namens Isaak de Montesa wurde beschuldigt, nach jüdischem Ritus geschlachtetes Fleisch verkauft zu haben. Vier anderen warf man vor, bei ebendiesem Montesa regelmäßig Kunden gewesen zu sein. Juan Peropan war eingesperrt, weil er Papiere mit jüdischen Gebeten besessen habe, und seine Frau Isabel, weil sie freiwillig an jüdischen Riten teilgenommen habe. Nachbarn von Ana Montalban hatten beobachtet, daß sie den sechsten Tag der Woche als Ruhetag nutzte, sich jeden Freitag vor Sonnenuntergang wusch und während des jüdischen Sabbats saubere Kleider trug.
    Nach einer Weile wurde Jona sich der Blicke des Arztes aus Toledo bewußt, die ihm folgten, sooft er in der Nähe seiner Zelle arbeitete.
    Eines Morgens, als er gerade in dessen Zelle zu tun hatte, sprach der Gefangene ihn schließlich an. »Warum nennt man dich Tomas?«
    »Wie sollte man mich sonst nennen?«
    »Du bist ein Toledano, ich erinnere mich nur nicht mehr, welcher.«
    Ihr wißt, daß ich nicht Meir bin, hätte Jona am liebsten gesagt, aber er traute sich nicht. Dieser Arzt konnte ihn als Gegenleistung für ein mildes Urteil an die Inquisition verraten, oder etwa nicht?
    »Ach, da irrt Ihr Euch, Señor«, sagte er, fegte zu Ende und verließ die Zelle.
    Einige Tage vergingen ohne weiteren Vorfall. Der Arzt brachte viel Zeit mit seinem Gebetbuch zu und starrte Jona nicht länger an. Jona bekam den Eindruck, daß der Mann, wenn er ihn hätte verraten wollen, es schon längst getan hätte.
    Von all den Gefangenen war der Fleischer Isaak de Montesa der trotzigste. Oft brüllte er Segenssprüche und Gebete in Hebräisch und schleuderte sein Judentum seinen Häschern ins Gesicht. Die anderen Beschuldigten waren stiller, beinahe teilnahmslos in ihrer Verzweiflung.
    Jona wartete, bis er wieder einmal in Espinas Zelle stand. »Ich bin Jona Toledano, Señor.«
    Espina nickte. »Dein Vater Helkias... Ist er geflohen?«
    Jona schüttelte den Kopf. »Ermordet«, sagte er, doch dann kam Paco, um ihn wieder herauszulassen und die Zelle abzuschließen, und sie verstummten.
    Paco war ein fauler Mann, der, den Stuhl gegen die Wand gekippt, döste, wenn Isidoro nicht in der Nähe war. Zu solchen Zeiten war er sehr unwirsch, wenn Jona ihn bat, die Zellen aufzuschließen, und schließlich gab er Jona den Schlüssel und sagte ihm, er solle es selber tun.
    Jona kehrte sehr gespannt in die Zelle des Arztes zurück, aber zu seiner Enttäuschung wollte Espina nicht weiterreden, sondern hielt den Blick starr auf die Seiten seines Gebetbuchs gesenkt.
    Als Jona Isaak de Montesas Zelle betrat, stand der Fleischer schwankend da, die Kutte über den Kopf gezogen wie einen Gebetsmantel. Er sang laut, und Jona sog gierig den Klang des Hebräischen ein und lauschte den Worten:
    Die Sünde, die wir vor dir begangen haben durch Unzucht, Und die Sünde, die wir vor dir begangen haben durch das Bekenntnis mit dem Mund,
    Und die Sünde, die wir vor dir begangen haben freventlich oder aus Versehen,
    Und die Sünde, die wir vor dir begangen haben wissend oder unwissend,
    Alles, o Gott der Verzeihung, verzeihe und vergib uns, sühne

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