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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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den Zuweg. Jose Galindo stellte ihm keine Fragen, nachdem er den Namen von Capitán Astruells gehört hatte, und schon bald darauf stand Jona in einer trockenen, von Steinen übersäten Ecke eines Zwiebelfeldes und jätete mit einer Hacke Unkraut.
    Am späten Vormittag zerrte ein Mann mit dünnen, sehnigen Armen einen kleinen Karren über das Feld, wie ein Pferd, das einen Wagen zog, und blieb bei jeder Gruppe stehen, um an die Arbeiter eine Schüssel mit dünner Grütze und einen Ranken grobes Brot zu verteilen.
    Jona aß so schnell, daß er kaum etwas schmeckte. Das Essen besänftigte seinen Bauch, aber er mußte auch sofort pinkeln. Hin und wieder ging einer der Männer zu dem Graben am Rand des Feldes, um sich zu erleichtern, aber Jona, der an seinen beschnittenen Penis, sein jüdisches Erkennungszeichen, dachte, hielt den Urin so lange zurück, bis er, zitternd vor Schmerz und Angst, nicht mehr anders konnte, als zum Graben zu gehen und sich zu erleichtern. Er versuchte, seine Eichel mit der Hand zu verdecken, während seine Blase sich entleerte. Aber niemand sah zu ihm herüber, und so pinkelte er zu Ende und kehrte zu seiner Hacke zurück.
    Die Sonne brannte heiß.
    Wo waren alle, die er kannte?
    Was geschah mit ihm?
    Er arbeitete wie ein Besessener und bemühte sich, nicht nachzudenken, während er zuschlug, als wäre die Hacke das Schwert Davids und das Unkraut die Philister. Oder als wäre das Unkraut die Männer des Inquisitors, die seiner Vorstellung nach ganz Spanien durchstreiften, einzig und allein auf der Suche nach ihm.
    Nach drei Tagen harter Arbeit auf diesem Hof erkannte er, schmutzig und erschöpft, daß es der zweite August war. Der neunte Tag des Aw. Der Tag der Zerstörung des Tempels in Jerusalem war der letzte Tag der Ausreisefrist für die spanischen Juden. Er verbrachte den Rest des Tages neben der Arbeit im stillen Gebet, und immer wieder schickte er seine Bitten zu Gott, daß Eleasar und Aaron und Juana nun schon auf hoher See in Sicherheit seien und sich weiter und weiter von diesem Ort entfernten.

2. Der Gefangene
    J ona war als Stadtjunge aufgewachsen. Dennoch vertraut mit den Verrichtungen auf den Bauernhöfen Toledos, hatte er hin und wieder die Ziegen seines Onkels Aaron gemolken, die Herde gefüttert und gehütet und bei der Heuernte oder beim Schlachten oder Käsen geholfen. Auch war er stark, groß für sein Alter und beinahe voll ausgewachsen. Aber noch nie hatte er die tägliche Mühsal unerbittlicher Arbeit erlebt, die ein bäuerliches Leben auf dem Lande bestimmt, und in den ersten Wochen auf dem Gut Carnero de Palmas schmerzten jeden Abend seine Glieder und wehrten sich gegen die ungewohnte Belastung. Die jüngeren Männer wurden geschunden wie Ochsen, man gab ihnen die Arbeiten, die für jene zu schwer waren, deren Kräfte von Jahren ähnlicher Plackerei bereits aufgezehrt waren. Doch Jonas Muskeln wuchsen und wurden hart, die Sonne bräunte sein Gesicht, und bald sah er aus wie die anderen Arbeiter.
    Er war mißtrauisch gegen jeden und fürchtete sich vor allem, denn er wußte um die Gefahr, in der er lebte; er hatte sogar Angst, daß man ihm seinen Esel stahl. Nachts, wenn er neben dem Tier in einem Winkel der großen Scheune schlief, ergriff ihn manchmal das merkwürdige Gefühl, daß der Esel ihn beschützte wie ein Wachhund.
    Die peónes schienen zufrieden zu sein mit ihren Tagen voll schwerer Arbeit. Jedes Alter war unter ihnen vertreten: Es gab Jungen in Jonas Alter, es gab reife, kräftige Männer, aber auch Greise, die ihre letzten Kräfte aufbrauchten. Jona war und blieb ein Fremdling. Er redete mit keinem, und keiner redete mit ihm, außer um ihm zu sagen, wo er arbeiten sollte. Auf dem Feld gewöhnte er sich allmählich an die für ihn ungewohnten Geräusche, das Knirschen von Hacken, die sich in die Erde gruben, das Klirren von Schaufelblättern, die auf Stein trafen, an das Ächzen der schwer arbeitenden Männer. Wenn er zu einem anderen Teil des Feldes gerufen wurde, machte er sich sofort auf den Weg; wenn er ein Werkzeug brauchte, bat er höflich, aber ohne viele Worte darum. Er spürte, daß die anderen ihn mit neugieriger Feindseligkeit betrachteten, und er wußte, daß einer der Männer früher oder später einen Streit mit ihm anfangen würde. Um nicht ganz schutzlos zu sein, schärfte er unauffällig eine abgelegte Hacke, bis sie eine scharfe Spitze hatte. Der Stiel war abgebrochen, so daß nur noch ein kurzer Handgriff übrig war, und er hatte sie

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