Der Medicus von Saragossa
man Euch fand?«
»Ich war schon fast drei Jahre unterwegs, als sie mich faßten. Die Inquisition wirft ein beängstigend weites Netz aus.«
Jona lief es kalt über den Rücken, denn er wußte, daß dieses Netz auch nach ihm ausgeworfen wurde.
Er sah, daß Paco aufgewacht war und sie beobachtete, und so fing er wieder an zu fegen.
»Einen guten Nachmittag, Señor Espina.«
»Einen guten Nachmittag... Tomas Martin.«
Der Inquisition war es ein Anliegen, die Hinrichtungen den weltlichen Behörden zu überlassen, und so überwachte der alguacil auf der plaza mayor die Errichtung von sieben hölzernen Scheiterhaufen sowie eines quemadero, eines kreisrunden Ziegelofens, der von Maurern in aller Eile hochgezogen wurde.
Im Gefängnis weinten einige der Gefangenen, andere beteten. Espina erschien ruhig und gefaßt.
Jona schrubbte den Boden des Korridors, als Espina ihn ansprach. »Ich muß dich um etwas bitten.«
»Alles, was in meiner Macht...«
»Ich habe einen Sohn von acht Jahren, mit dem Namen Francisco. Er lebt bei seiner Mutter Estrella de Aranda und seinen zwei Schwestern. Kannst du diesem Jungen das Gebetbuch seines Vaters und seinen Segen überbringen?«
»Señor.« Jona war erstaunt und betrübt. »Ich kann nicht nach Toledo zurückkehren. Und Euer Haus ist sowieso verlassen. Wo ist Eure Familie?«
»Ich weiß es nicht, vielleicht bei den Vettern und Basen meiner Frau, der Familie Aranda in Maqueda. Oder vielleicht bei der Familie Aranda in Medellin. Aber nimm das Gebetbuch, ich bitte dich. So Gott will, erhältst du vielleicht eines Tages die Gelegenheit, es zu überbringen.«
Jona nickte. »Ja, ich werde es versuchen«, sagte er, obwohl das christliche Buch ihm die Finger zu versengen schien, als er es entgegennahm.
Espina streckte die Hand durch das Zellengitter. Jona nahm sie. »Möge der Herr Euch gnädig sein.«
»Ich gehe ein zu Jesus. Möge Gott dich behüten und bewahren. Bitte bete für meine Seele.«
Schon früh versammelte sich auf der plaza mayor eine Menge, zahlreicher als für jeden Stierkampf. Es war ein wolkenloser Tag, doch der leichte Wind trug schon herbstliche Kühle. Unterdrückte Aufregung lag in der Luft, die erfüllt war von Kindergeschrei, von Gemurmel, von den Rufen von Essensverkäufern und den munteren Klängen eines Quartetts – einem Flötisten, zwei Gitarristen und einem Lautespieler.
Am späten Vormittag erschien ein Priester. Er hob die Hand, um die Menge zum Schweigen zu bringen, und stimmte dann mit den Versammelten eine endlose Reihe von Vaterunsern an. Inzwischen war der Platz gesteckt voll mit Leibern, Jona unter ihnen.
Schaulustige drängten sich auf den Baikonen der Gebäude um die plaza und auf allen Dächern. Bald kam es zu Unruhe auf dem Platz, als die Zuschauer, die den Scheiterhaufen am nächsten standen, von Isidoro Alvarez' Männern zurückgedrängt wurden, um Platz zu machen für die Ankunft der Verurteilten.
Die Gefangenen wurden auf zweirädrigen, von Eseln gezogenen Schinderkarren vom Gefängnis zur plaza gebracht. Unter dem Gejohle der Schaulustigen führte man sie durch die Straßen.
Alle elf verurteilten Judaisierer trugen die spitzen Hüte der Büßer. Zwei Männer und eine Frau trugen gelbe sambenitos, Büßerhemden, die mit diagonalen Kreuzen gekennzeichnet waren. Sie waren verurteilt, in ihre Heimatgemeinden zurückzukehren und dort diese sambenitos für eine lange Zeit der Buße und Aussöhnung, der christlichen Frömmigkeit und des Spotts ihrer Nachbarn zu tragen.
Sechs Männer und zwei Frauen trugen schwarze, mit Dämonen und Höllenflammen verzierte sambenitos als Zeichen dafür, daß sie den Opfertod sterben würden.
Auf der plaza mayor wurden die Verurteilten von den Karren gezerrt, die Kleider wurden ihnen abgenommen, und die Menge reagierte auf ihre entblößten Leiber mit Raunen und einem Wogen wie Meeresbrandung, denn jeder wollte die Nacktheit begaffen, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer Schande war.
Obwohl Jona wie betäubt starrte, sah er, daß Ana Montalban nackt, mit hängenden, leeren Brüsten und grauen Haaren zwischen den Beinen, älter wirkte als bekleidet. Isabel Peropan sah jünger aus, sie hatte die runden, festen Hinterbacken eines Mädchens. Ihr Gatte war überwältigt von Kummer und Angst. Er konnte nicht mehr gehen, sondern wurde gestützt und geschleift. Jeder Gefangene wurde zu einem Scheiterhaufen gebracht und an den Pfahl gefesselt.
Der haarige Körper von Isaak de Montesa zeigte keine
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