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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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über den Boden schleiften.
    Als Jona auf der plaza mayor bei einem Käser vorbeikam, konnte er nicht widerstehen und opferte eine kostbare Münze für einen kleinen Käse, den er hungrig verschlang, obwohl er längst nicht so gut schmeckte wie die Käse, die sein Onkel Aaron gemacht hatte.
    »Ich suche eine Anstellung, Señor«, sagte er hoffnungsvoll.
    Doch der Käser schüttelte den Kopf. »Soso. Aber ich kann niemand anstellen!« Doch dann rief er bedeutungsvoll einem in der Nähe stehenden Mann zu: »Vogt, hier ist ein junger Mann, der Arbeit sucht.«
    Der Mann, der nun heranstolziert kam, war klein und hatte einen sehr dicken Bauch. Seine wenigen Haare klebten ihm fettig am Schädel.
    »Ich bin Isidoro Alvarez, der alguacil dieser Stadt.« »Ich bin Tomas Martin. Ich suche Arbeit, Señor.« »Oh, ich habe Arbeit... Ja, die habe ich wirklich. Was hast du bis jetzt getan?«
    »Ich war peón auf einem Gut in der Nähe von Toledo.« »Was hat man auf diesem Gut angebaut?«
    »Zwiebeln und Getreide. Und es gab auch eine Herde Milchziegen.«
    »Mein Stall ist anders bestückt. Ich halte Verbrecher und verdiene mein Brot damit, daß ich sie vor der Sonne und dem Regen bewahre«, sagte er, und der Käser lachte schallend. »Ich brauche jemand, der das Gefängnis putzt, die duftenden Scheißekübel meiner Übeltäter ausleert und ihnen ab und zu ein wenig Essen hinwirft, damit sie nicht verhungern, solange sie in meiner Obhut sind. Kannst du das, junger peón ?«
    Es waren nicht gerade verlockende Aussichten, aber die kleinen braunen Augen des a lguacil wirkten fröhlich und zugleich gefährlich. In der Nähe kicherte jemand. Jona spürte, daß die Leute nur auf eine Belustigung warteten, und er wußte, man würde ihm nicht gestatten, das Angebot höflich abzulehnen und weiterzureiten.
    »Ja, Señor, das kann ich.«
    »Na, dann mußt du mit mir zum Gefängnis kommen, damit du sofort damit anfangen kannst«, sagte der alguacil.
    Als Jona dem Mann folgte, stellten sich ihm die Nackenhaare auf, denn er hörte, wie der grinsende Käser einem anderen berichtete, Isidoro habe endlich einen Wärter für die Juden gefunden.
    Das Gefängnis war ein langes und schmales Steingebäude. An einem Ende befand sich das Amtszimmer des alguacil und am anderen ein Verhörzimmer. Zu beiden Seiten des Korridors zwischen den Zimmern lagen winzige Zellen. In den meisten Zellen lag jemand zusammengerollt auf dem Steinboden des beengten Raums oder lehnte an der Wand.
    Isidoro Alvarez hatte Jona gesagt, daß zu seinen Gefangenen drei Diebe, ein Mörder, ein Säufer, zwei Wegelagerer und elf Neue Christen gehörten, die angeklagt waren, insgeheim immer noch Juden zu sein.
    Ein Wachposten mit Schwert und Knüppel saß schläfrig auf einem Hocker im Gang. »Das ist Paco«, sagte der alguacil zu Jona und murmelte dann dem Posten zu: »Der da ist Tomas.« Dann ging er in sein Amtszimmer und schloß die Tür hinter sich zu, damit der gewaltige Gestank draußen blieb.
    Entmutigt erkannte Jona, daß jeder Versuch, diesen Ort zu reinigen, mit den bis zum Überlaufen vollen Koteimern beginnen mußte, und so bat er Paco, die erste Zelle aufzuschließen, in der eine Frau mit leerem Blick teilnahmslos zusah, wie er ihren Eimer nahm.
    Als er Mose hinter dem Gefängnis angebunden hatte, war ihm ein Spaten aufgefallen, der an der Wand hing, und den nahm er jetzt und suchte sich eine sandige Stelle, wo er ein tiefes Loch grub. Er kippte die stinkenden Exkremente in das Loch, füllte dann den Eimer zweimal mit Sand und leerte ihn darüber. In der Nähe stand ein Baum mit großen, herzförmigen Blättern, mit denen er den Eimer auswischte, und dann spülte er ihn in dem Rinnsal eines nahen Grabens, bevor er ihn in die Zelle zurücktrug.
    So säuberte er die Eimer in fünf Zellen, und sein Mitleid wurde immer größer, denn der Zustand der Insassen war erbärmlich. Als die Tür zur sechsten Zelle geöffnet wurde, ging er hinein und hielt einen Augenblick inne, bevor er den Eimer in die Hand nahm. Der Gefangene war ein schlanker Mann. Wie bei den andern Männern wucherten auch bei ihm Haare und Bart ungestutzt, dennoch glaubte Jona in seinem Gesicht vertraute Züge wiederzuerkennen.
    Der Posten grunzte verärgert, weil er an der geöffneten Tür warten mußte, und Jona nahm den Koteimer und trug ihn nach draußen.
    Erst als er mit dem gereinigten Eimer in die Zelle zurückkehrte und sich das Gesicht vorstellte, wie es mit geschnittenen Haaren und ordentlich

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