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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Verletzungen; der Fleischer war der Folter entgangen, weil sein beständiges und störrisches Aufsagen jüdischer Gebete seine Schuld offensichtlich gemacht hatte; doch jetzt hatte man ihn zur Strafe für seinen Trotz für den quemadero ausersehen. Die Öffnung in der Wandung des Ofens war eng, und drei Männer stießen und stopften seinen großen Körper hinein, während die Leute ihn schadenfroh verhöhnten und er ihnen die Worte des Schema entgegenschleuderte. Seine Lippen bewegten sich weiter, während die Maurer eilends die Öffnung mit Ziegeln verschlossen.
    Espina betete auf lateinisch.
    Viele Hände schichteten Reisigbündel um die Gefangenen, und die wachsenden Stapel gewährten ihnen ein Mindestmaß an Schicklichkeit, denn sie verdeckten ihre Unterkörper und verbargen die beschämenden Sudelflecken der Angst. Auch um den quemadero wuchs das Reisig in die Höhe, bis von den Ziegeln des Ofens nichts mehr zu sehen war.
    Das Quartett stimmte nun Hymnen an.
    Kaplane standen neben den vier Gefangenen, die um eine Aussöhnung mit Christus gebeten hatten. Ihre Richtstätten waren mit Garrotten ausgestattet, Stahlbändern, die ihren Hals umspannten und mit Schrauben hinter dem Pfosten festgezogen wurden. Für ihre Frömmigkeit wurde ihnen nun die Gnade kirchlichen Erbarmens gewährt, denn man erdrosselte sie vor dem Verbrennen. Isabel Peropan war die erste; trotz ihrer Unschuldsbeteuerungen und ihrer verhängnisvollen Anprangerung der anderen hatte man sie verurteilt, aber die Inquisition gewährte ihr die Gnade der Garrotte.
    Als nächstes wurde die Garrotte bei Espina und zwei Brüdern aus Almagro angewendet, während Isidoro schon die Reihe der Scheiterhaufen abschritt und eine brennende Fackel an die trokkenen Reisigbündel hielt, die sich mit lautem Knistern sofort entzündeten.
    Mit den Flammen stieg auch der Lärm der Menschen in die Höhe, die je nach Temperament das Schauspiel mit Rufen der Ehrfurcht und des Staunens, Schreien der Furcht oder ausgelassenem und schadenfrohem Johlen bedachten. Männer und Frauen hielten Kinder in die Höhe, damit sie schon hier auf Erden einen Blick auf das Feuer der Hölle erhaschen konnten, vor dem Gott der Herr sie retten und bewahren würde, wenn sie nur Vater und Priester gehorchten und nicht sündigten.
    Das Reisig um den quemadero brannte mit lautem Getöse. Isaak der Fleischer saß drinnen und briet wie ein Hähnchen im Herd, nur daß, sagte sich Jona leise, Geflügel nicht bei lebendigem Leib geröstet wurde.
    Die Verurteilten wanden sich. Ihre Münder öffneten und schlossen sich, aber wegen des Lärms der Menge konnte Jona ihre Schreie nicht verstehen. Isabel Peropans lange Haare gingen in Flammen auf und zeichneten eine gelbe und blaue Aureole um das purpurrote Gesicht. Jona konnte es nicht ertragen, Espina anzusehen. Rauch waberte und wehte, der alles verbarg und ihm einen Grund gab für seine tränenden Augen. Jemand stieß ihn an und schrie ihm ins Ohr.
    Es war Isidoro. Der alguacil deutete auf das zur Neige gehende Holz, schalt ihn einen faulen Bengel und befahl ihm, Paco und Gato zu helfen, einen Karren mit frischem Reisig zu beladen.
    Als der Karren beladen war, kehrte Jona nicht mehr auf die plaza zurück. Im stillen und leeren Gefängnis nahm er sein Bündel und die kaputte Hacke und ging damit zu Mose, der friedlich im Schatten graste.
    Kaum war er aufgestiegen, trieb er den braven kleinen Esel mit den Hacken an, und sie verließen Ciudad Real in forschem Galopp. Jona hatte weder Augen für den Weg noch für die Landschaft. Das Autodafé hatte ihm einen grausigen Vorgeschmack gegeben auf seinen eigenen Tod, sollte die Inquisition ihn fangen. Etwas in ihm schrie, daß er sich einen mitfühlenden Priester suchen müsse. Vielleicht war es für ihn noch nicht zu spät, um die Taufe zu erflehen und ein Leben in katholischer Rechtschaffenheit zu führen.
    Aber er hatte dem Andenken seines Vaters, Gott und seinem Volk ein Versprechen gegeben.
    Und sich selbst.
    Zum ersten Mal war sein Haß auf die Inquisition stärker als seine Angst. Die Bilder, die er gesehen hatte, waren nicht mehr auszulöschen, und er sprach zu Gott nicht als Bittsteller, sondern in forderndem Zorn.
    Was für ein göttlicher Plan ist das, der so viele von uns zu Tode bringt?
    Und: Zu welchem Zweck hast du mich zum letzten Juden in Spanien gemacht?

5. Die Frau auf dem Gut
    J ona führte Mose über den Fluß Guadiana, und der junge Mann und der Esel waren erst ein kurzes Stück gewatet, als

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