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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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der kleine Stecher, den ich habe, ist der einzige, den ich brauche, während der große Stich, den ihr mir zufügen wollt, ein wirklich schlimmer Stecher wäre!‹ Darauf sagte mir Boabdil, daß mein ganzer Körper nur ein elender kleiner Wespenstich sei, und als er sich dann schüttelte vor Lachen, wußte ich, daß ich am Leben bleiben würde.«
    Mingo sah Jonas Gesichtsausdruck und lächelte. »Hab keine Angst um mich, mein Freund«, sagte er. »Ein Narr zu sein erfordert Mühe und Weisheit, und ich bin der König der Spaßmacher.«
    Als sie dann wieder auf ihren Tieren saßen, ritten sie an maurischen Aufsehern vorbei, die den Bau eines Palastflügels beaufsichtigten. »Die Mauren glauben nicht, daß sie je aus Spanien vertrieben werden, so wie die Juden es nicht glauben konnten, bis es geschah«, sagte Mingo. »Aber der Tag wird kommen, an dem man auch den Mauren befehlen wird, das Land zu verlassen. Die Christen erinnern sich noch viel zu gut an die vielen Glaubensbrüder, die im Kampf gegen den Islam fielen. Die Mauren haben den Fehler gemacht, das Schwert gegen die Christen zu erheben, so wie die Juden den Fehler gemacht haben, Macht über die Christen anzunehmen, ähnlich Vögeln, die höher und höher fliegen, bis die Sonne sie verbrennt.«
    Als Jona schwieg, sah Mingo ihn an. »Es gibt Juden in Granada.«
    »Juden, die Christen geworden sind?«
    »Konvertiten wie du selbst. Was sonst?« erwiderte Mingo verärgert. »Wenn du sie kennenlernen willst, geh auf den Marktplatz, zu den Ständen der Seidenhändler.«

3. Inés Denia
    J ona hatte lange Zeit Konvertiten gemieden, da er im Umgang mit ihnen keinen Nutzen für sich sah. Dennoch verspürte er eine tiefe Sehnsucht nach der Gesellschaft von Juden, und so sagte er sich, es könne nicht schaden, einen Blick auf jene zu werfen, die einst den Sabbat gekannt hatten, auch wenn sie ihn jetzt nicht mehr kannten.
    An einem stillen Morgen ritt er auf Mose in den geschäftigen Trubel der Stadt. Mingo hatte ihm gesagt, der Markt Granadas habe dank der regen Bau- und Restaurierungstätigkeit in der Alhambra neuen Auftrieb erhalten. Es war ein großer Basar, und Jona genoß es, den Esel durch die Gassen zu lenken. Die Sehenswürdigkeiten, Gerüche und Geräusche des Marktes betörten ihn, er ritt an Ständen vorbei, die Brote und Kuchen feilboten, große Fische ohne Köpfe und kleine Fische mit noch klaren und frischen Augen, ganze Ferkel, Schinken, Bruststücke und starrende Köpfe von fetten Keilern, Lamm und Hammel, gekocht und roh, Säcke mit Schurwolle, alle Arten von Geflügel, die großen Vögel so aufgehängt, daß die farbenfrohen Schwänze jedem Betrachter ins Auge stachen und Käufer anlockten, Aprikosen, Pflaumen, rote Granatäpfel, gelbe Melonen... Es gab zwei Seidenhändler.
    An dem einen Stand zeigte ein mißmutig dreinblickender Kerl seine Ware zwei Männern, die das Tuch kritisch befingerten.
    Am anderen Stand verhandelte ein Mann mit einem Turban mit einem halben Dutzend interessierter Käufer, aber es war das Gesicht an seiner Seite, das Jonas Aufmerksamkeit erregte und fesselte. Die junge Frau stand an einem Tisch und schnitt Stücke von einem Ballen, den ein Junge entrollte. Bestimmt hatte Jona schon lieblichere und hübschere Gesichter gesehen als ihres, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, wann oder wo das gewesen sein mochte.
    Der Mann mit dem Turban erklärte eben, daß die Güte der Seide abhängig sei von der Art der Blätter, die die Raupen gefressen hatten.
    »Die Blattnahrung der Raupen in dem Landstrich, aus dem diese perlglänzende Seide kommt, verleiht dem Faden einen sehr feinen Glanz. Seht Ihr es? Der fertige Stoff erhält dadurch einen leichten Goldschimmer.«
    »Aber Isaak, er ist so teuer«, sagte der Kunde.
    »Natürlich hat er seinen Preis«, gab der Händler zu. »Aber es ist eben ein sehr seltener Stoff, erschaffen von eifrigen Raupen und begnadeten Webern.«
    Jona hörte nicht zu. Er versuchte, mit der wogenden Menge zu verschmelzen, stand gleichzeitig aber wie gebannt da, denn er genoß es sehr, jener Frau zuzusehen. Sie war jung, doch in der vollen Blüte ihrer Weiblichkeit, ihre Haltung aufrecht, ihr schlanker Körper fest und wohlgeformt. Das dichte, bronzefarbene Haar trug sie lang und offen. Ihre Augen waren nicht dunkel, und Jona meinte zu sehen, daß sie auch nicht blau waren, doch er war nicht nahe genug, um den genauen Farbton zu erkennen. Ihr jetzt in die Arbeit vertieftes Gesicht war von der Sonne gebräunt,

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