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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Nachbar, Mica Benzaquen«, sagte Saadi zu Jona. »Und dieser junge Mann ist Jona ben Helkias Toledano, ein Freund aus Toledo.«
    Benzaquen hieß Jona willkommen.
    Kurz darauf erschienen ein Mann und eine Frau und wurden Jona als Fineas ben Sagan und seine Frau Sancha Portal vorgestellt, und dann kamen Abram Montelran und seine Frau Leona Patras. Anschließend noch zwei Männer, Nachman Redondo und Pedro Serrano. Immer wieder ging nun die Tür auf, bis sich neun weitere Männer und sechs Frauen in dem kleinen Haus drängten. Jona fiel auf, daß alle Arbeitskleidung trugen, denn sie wollten keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, indem sie sich für den jüdischen Sabbat festlich kleideten.
    Er wurde von Saadi allen Anwesenden als ein Freund vorgestellt, der auf Besuch sei.
    Einer der Nachbarjungen wurde als Wachposten vor die Tür geschickt, während im Haus die Leute bereits zu beten begonnen hatten, so wie es jüdischer Brauch war.
    Es gab keine Tora; Mica Benzaquen stimmte die Gebete aus dem Gedächtnis an, und alle fielen, ängstlich, aber auch voller Freude, ein. Ihre Stimmen waren kaum mehr als ein Flüstern, damit der Klang der Liturgie nicht nach draußen dringen und sie verraten konnte. Sie rezitierten die achtzehn Segenssprüche und das Schema. Dann sangen sie in einer gewaltigen Abfolge von Melodien Hymnen, Gebete und die wortlosen traditionellen Gesänge, die man Niggun nennt.
    Das Gefühl der Zusammengehörigkeit und das Erlebnis des gemeinsamen Betens, das für Jona früher so alltäglich gewesen und jetzt so verboten und kostbar war, hatten eine tiefgreifende Wirkung auf ihn. Viel zu schnell war es vorüber. Die Leute umarmten sich und wünschten sich gegenseitig einen friedlichen Sabbat. Dabei schlossen sie auch den Fremden ein, für den sich Isaak Saadi verbürgt hatte.
    »Nächste Woche in meinem Haus«, flüsterte Mica Benzaquen Jona zu, und der nickte dankbar.
    Isaak Saadi zerstörte den Zauber. Während die Leute einzeln oder in Paaren das Haus verließen, lächelte er Jona an. »Wollt Ihr uns«, fragte er, »am Sonntag morgen in die Kirche begleiten?« »Nein, das kann ich nicht.«
    »Dann vielleicht am Sonntag darauf.« Saadi sah Jona an. »Das ist wichtig. Es gibt Leute, die uns sehr aufmerksam beobachten, wenn Ihr versteht«, sagte er.
    In den folgenden Tagen behielt Jona den Stand des Seidenhändlers scharf im Auge. Es schien sehr lange zu dauern, bis Isaak Saadi den Stand seiner Tochter alleine überließ. Wie zufällig schlenderte Jona zu ihr. »Guten Tag, Señorita.«
    »Guten Tag, Señor. Mein Vater ist nicht hier...«
    »Ja, das sehe ich. Aber es macht nichts. Ich bin nur vorbeigekommen, um ihm noch einmal für die Gastfreundschaft Eurer Familie zu danken. Könnt Ihr ihm vielleicht meinen Dank ausrichten?«
    »Ja, Señor«, sagte sie. »Wir... Ihr wart in unserem Haus sehr willkommen.« Sie errötete heftig, vielleicht weil er sie anstarrte, seit er an den Stand getreten war. Sie hatte große Augen, eine gerade Nase und einen Mund, der nicht so vollippig war wie der manch anderer, der aber deutlich ihre Gefühle verriet, nicht zuletzt in den sinnlichen Winkeln. Im Haus ihres Vaters hatte er sich nicht getraut, sie zu lange anzusehen, denn ihre Familie hätte daran Anstoß nehmen können. Damals im Lampenlicht waren ihm ihre Augen grau erschienen. Jetzt bei Tageslicht war ihm, als wären sie doch blau, vielleicht lag es aber auch am Schatten, den der Stand warf. »Vielen Dank, Señorita.«
    »Gern geschehen, Señor Toledano.«
    Am nächsten Freitag nahm Jona wieder an der Sabbatfeier der kleinen Gruppe Konvertiten teil, die diesmal im Hause von Mica Benzaquen stattfand. Immer wieder warf er verstohlene Blicke zu Ines Denia hinüber, die bei den Frauen saß. Sogar im Sitzen hatte sie eine ausgezeichnete Haltung. Und ein so interessantes Gesicht. In der folgenden Woche ging er immer wieder auf den Markt und beobachtete sie aus der Ferne, aber er wußte, daß sein Herumlungern ein Ende haben mußte. Einige der Händler warfen ihm schon böse Blicke zu, vielleicht verdächtigten sie ihn, einen Diebstahl zu planen.
    Tags darauf ging er nicht mehr am Morgen, sondern am späten Nachmittag auf den Markt, und zu seinem Glück kam er gerade zu dem Zeitpunkt an, als Felipa ihre Schwester im Seidenstand ablöste. Ines schlenderte mit ihrer kleinen Nichte Adriana über den Platz, um Essen einzukaufen, und Jona lenkte seine Schritte so, daß er ihnen über den Weg lief.
    »Hola, Señorita!«
    »Hola,

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