Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
und wir benötigen auf die Dauer 250 Mann!« ist die ruhige aber bestimmte Antwort Reisländers.
»Bergmeister, wo soll denn das Wasser in diesen Mengen herkommen? Überlegt doch selbst. Da ist ein Wasserzufluß angekratzt worden, nun ja. Schöpft ihn ab, und der Schacht ist wieder trocken - hatten wir doch schon alles. Vor allem vergeßt das Erz im Berg nicht. Wenn das Wasser nicht schnell genug von den Männern geschöpft wird, gibt’s bald keine Arbeit mehr und damit keinen Lohn. Ihr und Eure Berggemeinde sitzt wahrhaftig in einem Boot. Laßt es nicht kentern in diesem Schacht!«
»Das, was Ihr sagt, Herr Fugger, stimmt – bis auf eine Kleinigkeit. Erlaubt mir, daß ich sie ausspreche.«
»Nur zu. Nur zu, Bergmeisterlein! Sagt, was Ihr glaubt sagen zu sollen.«
»Ihr sitzt mit in diesem Boot. Ihr haltet das Ruder und bestimmt den Kurs. Verantworten aber muß diesen Kurs ich!«
»Das habe ich mir gedacht, Bergmeister. Euretwegen bin ich auch hier heruntergekrochen, weil mir Euer Schiener Dreyling heute mittag schon die Ohren vollgeheult hat. Ihr seid mir zu langsam in Euren Entscheidungen, und das kostet mein Geld. Hört gut hin: Mein Geld!«
Reisländer zwingt sich sichtlich zur Ruhe:
»Ich kann Euch nicht folgen, Herr Fugger, denn der Irrtum haßt die Langsamkeit. Im Berg ist die Langsamkeit, von der Ihr sprecht, ein Werkzeug, das Leben rettet und auch Euer Geld schützt. Was ist, wenn nun tatsächlich …«
»Wenn! Wenn! Alles Ausflüchte!« fällt ihm Marx Fugger brutal ins Wort. »Taten, Herr Bergmeister, und richtige Einschätzung! Ihr wollt ja hoffentlich nicht klüger sein als mein Oheim? Ich will wissen, ob der Erzstock da unten weiter reich abgebaut werden kann - und keine Bannsprüche gegen das Aufschlagen wegen unbewiesener, angeblich bedrohlicher Wasserzuflüsse.
Schaut doch hin, die Knappen schaffen das auch ohne Euch. Das Wasser, so scheint mir, ist in diesen Minuten, in denen Ihr mir die Gefahren der Verdammnis erzählen wolltet, schon merklich weniger geworden!«
Fugger wendet sich von Reisländer ab, geht zu den wasserschöpfenden Knappen und ruft:
»Häuer, Knappen, hört mir zu! Jeder von euch erhält einen halben Gulden, wenn ihr es schafft, heute noch aus diesem Schacht eine Erzstufe zu brechen. Ich will die Erzstufe noch vor Mitternacht sehen! Bringt sie zu meinem Haus …!«
»Das ist ja ein Anschlag auf unser aller Leben!« flüstere ich Reisländer entsetzt zu.
Durch die Knappen geht ein Ruck, als ob Siegmunds pures Gold auf der Sohle läge. Schlagartig weicht das Leiden aus ihren Gesichtern. Die Wasserkübel bekommen Flügel …
Marx Fugger wirft einen verächtlichen Blick zu Reisländer:
»Seht Ihr nun, welche Werkzeuge tatsächlich nutzen? Die angebliche Gefahr nehme ich auf mich. Der Herr wird mir Absolution erteilen, denn Er weiß, daß ich nur zum Wohl der Berggemeinde zu handeln pflege.«
»Herr Fugger, wir sollten die Messungen abwarten, ob der nördliche Schiefer bis herunter reicht«, wirft Reisländer hastig ein.
Er hätte sich den Atem sparen können. Herr Marx Fugger übersieht ihn einfach, schreitet an ihm vorbei und verschwindet nach oben in Richtung Martinhütt-Stollen, durch den er wohl auch den Berg betreten hatte. Nur seine Stimme schallt noch mal zu uns zurück:
»Meine Entscheidung bindet Euch, Reisländer! Wagt es nicht sie umzustoßen! Der Falkenstein ist meine Sache …!«
Ein leichtes Schaudern erfaßt mich, denn mir wird klar, daß Reisländer und Fugger zu einem Zweikampf angetreten sind, einem Kampf, der ohne Schwerter ausgeführt wird. Und ausgetragen wird er auf unseren Rücken, mit unserem Leben als Einsatz.
»Dreyling, messe den Berg. Schnell!«
»Der Herr Fugger versteht es, im richtigen Moment aufzutreten und uns Hoffnung zu geben. Empfindet Ihr das nicht genauso, Herr Bergmeister?« fragt Karl Viehbauer.
»Er soll auftreten, Hoffnung geben – ich wünsche mir nur, daß er auch recht behält! Gelobt sei der Herr.«
»So sei es«, sagt Viehbauer andächtig.
»Gstein, schöpft das Wasser aus. Haltet die Sohle einigermaßen trocken – aber wartet, um Gottes willen, mit dem weiteren Aufschlagen, bis wir genau wissen, wie der Schiefer verläuft!«
Der Schichtmeister schaut uns voll grimmiger Sorge an:
»Ihr habt es selbst gehört, Bergmeister. Die Männer sind nicht mehr zu halten, sie wollen den halben Gulden. Denkt nur – so großzügig ist unser Herr Marx. Einen halben Gulden!«
»Scheiß auf den halben Gulden!« bricht es
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