Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
brecht den Dolomit. Nach unten. Nach unten, sage ich euch! Und wagt nicht, mich zu betrügen! Nicht zu betrügen um die unermeßlichen Schätze, die unter unseren Füßen warten.
Ich sehe alles! Ich weiß alles! Ich kenne die Geheimnisse!«
Ein Wink. Aus dem Stollen tauchen die beiden Truhenläufer wieder auf, stemmen sich unter die Achseln des Greises.
»Herr«, mische ich mich wieder ein. »Heute nachmittag habe ich Eurem Neffen, dem Herrn Marx Fugger, berichtet, daß wir beim Raber-Liegendbau auf den nördlichen Schiefer gestoßen sind. Es steht zu befürchten, daß der ganze Ort absäuft, wenn wir weiter aufschlagen. Indes, wenn wir nicht aufschlagen, werden wir den Abbau dort einstellen müssen.
Herr Marx sagte, daß Ihr Euch selber die Stelle ansehen werdet, um dann zu urteilen …«
»Der Raber drüben?«
»Ja, Herr.«
»Der Erzgang ist reich und führt direkt hinab zum Gold.«
»Aber der Schiefer! Wenn wir aufschlagen und dahinter eine Wasserkaverne sitzt …«
Die Augen Siegmund Fuggers funkeln mich gehässig an:
»Ein paar ersoffene Häuer, wenn überhaupt, werden mich vom reichsten Bergsegen, der je gefunden wurde, nicht trennen!«
Halb getragen verschwindet der Greis im Dunkel des Sigmund-Stollens, aus dem das Kichern noch zu uns zurückhallt.
Wir sehen uns an.
»Ist er ein Genie oder – ein Wahnsinniger?«
Reisländer zuckt mit den Schultern:
»Auf jeden Fall ist er der Mann, der neben seinem Neffen hier das Sagen hat.«
Wütend starrt er auf das Wasser, das reichlich zwischen unseren Stiefeln dahinfließt …
»Also zum Raber. Komm, es eilt!«
»Bergmeister«, frage ich, wieder hinter ihm hergehend, »warum habt Ihr gerade mich für diese Entscheidung ausgewählt?«
»Ich habe dich ausgewählt, weil ich drei grundlegende Werte benötige, nämlich Länge, Richtung und Neigung! Und das exakt! Verstehst du? Ich werde gleich eine exakte Messung brauchen, die meine Entscheidung absichert. Und deine Messungen hier im Berg sind schon Geschichte! Du hast dich längst im Dolomit verewigt.«
»Geschichte? Verewigt?«
»Deine Verbindungen, die du mehr als einmal zwischen weit auseinanderliegenden Grubenteilen vermessen und durchschlagen hast lassen, gehen völlig nahtlos ineinander über. Daß da und dort ein Stollen durchgeschlagen wurde, ist in Ewigkeit nur noch durch die Gegenläufigkeit der Schrämmspuren im Fels erkennbar. Jeder Schiener wird an diesen Stellen bis in ferne Zukunft hinein bewundernd deiner gedenken.«
Ich nicke hinter ihm mit unverhohlenem Stolz:
»Danke, Bergmeister!«
»Und gleich brauche ich genaue, sichere Maße vor Ort. Heute mehr denn je!«
Als wir am Ende des Verbindungsstollens angekommen sind, dringen plötzlich Stimmen an unsere Ohren. Zwei junge Huntenschlepper mühen sich, ihre Hunten in Richtung Sigmund-Stollen zu zerren. Vorn am Körper ist das Brustbrett umgeschnallt, von dessen Enden die Seile zur Hunte fuhren. Um unsere Beine rinnt das Wasser Richtung Radstube.
Wir sind beim Raber angekommen.
Die Lage hat sich verschlechtert. Eine teuflische Arbeit ist das da vor uns. Stunden schon schöpfen die Kolonnen, die der Schichtmeister Peter Gstein inzwischen zur Verstärkung hierher gebracht hatte, unter der dröhnenden Stimme Adelwart Demmers das ständig zulaufende Wasser aus dem neuen Schacht.
»Dreyling!« Die Stimme des Bergmeisters ist schneidend. »Von diesem Meßpunkt aus sind es wieviel Fuß bis zum nördlichen Schiefer? Ich brauche das genaue Maß! Eil dich! Mach deine Triangulation. Die Richtung, die Neigung. Genau!«
Ich packe meine Winkelmeßscheiben, Bergwaage, Setzkompaß, Saigerlot, Schnur und Maßstab aus.
»Nun?«
Die wachen blauen Augen unter den wirren Haarbüschen des Schichtmeisters Peter Gstein schauen uns sorgenvoll an.
Reisländer hebt die Schultern, läßt sie wieder fallen. »Der Wille des Herrn Siegmund Fugger ist, daß der Schiefer aufgeschlagen wird.«
Der Bergschrat ist entsetzt.
»Beim Satan! Er sollte sich besser die Stelle ansehen, bevor er seinen Willen kundtut.«
»So gefällt mir das, Reisländer. Alle fleißig bei der Arbeit, wie ich sehe!«
Wie aus dem Nichts steht Marx Fugger plötzlich vor uns.
»Hier oben ist das Wasser wohl kein Problem. Wenn wir es unten im Fürstenbau im Griff haben, dann hier oben erst recht. So ist es doch, Bergmeister?«
»Es ist richtig, daß das Wasser im Schrägschacht gebändigt ist. 300 000 Liter am Tag – durch die Lasser-Maschine. Nur ein Drittel der Wassermenge hier oben,
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