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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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des Sigmund-Erbstollens.
    Der Blick vom Schachtkopf zum in die Tiefe ziehenden Schrägschacht, über den allein die »Martyrien-Stollen« zu erreichen sind, wird abgelenkt hinüber zur hell mit Kienspänen befackelten Radstube.
    Hier ist unsere berühmte Wasserkunst eingebaut. Zwei Stockwerke hatte man großzügig aus dem Dolomit herausgebrochen, zwei Rundbögen übereinander – wie Triumphbögen sehen sie aus. Überall in der Trockenmauerung sind große Grubenlampen eingemauert, die vollgefüllt mit Unschlitt, tagelang brennen können. Die Belüftung ist hier dank der Verbindungsstollen bis hinauf zum Eiblschroffen ohne Tadel; ansonsten wäre man an diesem Ort erstickt, und gleichzeitig hätte man wegen des Gestanks gewiß die Pest bekommen.
    Beide Stockwerke hatten schon König Philipp II. von Spanien beeindruckt, als er 1551 an der gleichen Stelle das Wunder im Berg bestaunte.
    Durch den oberen Bogen sieht man die beiden dicken Hanfseile, die, vom doppelten Haspelkorb kommend, über einen querliegenden Balken mit aufgelegten Rollen zum Schachtkopf geführt werden und dann mit Hilfe einer Umlenkrolle in dem schwarzen Schlund des Schachtes verschwinden.
    Der Durchmesser des Schachtes löst bei mir immer Beklemmungen aus. Ich hatte einmal 14 mal 16 Fuß gemessen! Dort unten wird der Dolomit gehämmert, geschrammt, gebrochen und gepulvert – doch nichts ist zu hören. Das fließende Wasser, das aus dem unteren Bogen in den Sigmund-Stollen abgeleitet wird, übertönt schon lange die Knappenarbeit …
    Der Bergmeister scheint meine Gedanken zu lesen:
    »Stell dir vor, Dreyling, 600 Mann waren hier mit dem Trockenhalten des Tiefbaues beschäftigt. Vier Stunden haben die Männer das durchhalten können.«
    »Wahnsinn …!« nicke ich.
    Ja, Wahnsinn. Sechs Schichten – Tag und Nacht. Das kostete, bevor der Salzburger Lasser 1554 die Wasserhebemaschine drüben eingebaut hatte, glatte 400 Gulden pro Woche!
    Eine lebende Eimerkette. Nicht horizontal, vertikal, nach oben! Jeder Eimer gestemmt über den eigenen Kopf. Vier Stunden – endlos!
    Ich schüttele den Kopf, sehe in den Schacht hinunter und versuche mir die vor Wasser triefende Menschenkette, aber auch den Schichtwechsel von damals vorzustellen. Eine Behinderung durfte ja nicht erfolgen! Wie war das damals überhaupt organisiert?
    Der Schacht selber ist mit Bretterwänden dreigeteilt, doch über die Hälfte des Querschnittes dient der Förderung des Wassers. Ein Drittel, ausgestattet mit hölzernen Leitern, bleibt für die Begehung hinunter bis zum Ende. Die restliche Öffnung ist den Transporteimern, die ebenfalls an Zugseilen festgemacht werden, reserviert.
    90 Fuß weiter drüben in der Radstube steht das Wunder: Zwei oberschlächtig betriebene Wasserräder von gut 35 Fuß Durchmesser mit gegenläufig angebrachten Schaufeln, damit der Wellbaum in beide Richtungen gedreht werden kann, je nachdem die Stangenknechte, mit ihrem Hebelsystem wahlweise schaltend, das Wasser auf das eine oder andere Rad rinnen lassen.
    »Wasser hebt Wasser!«
    Zum erstenmal, seit wir im Berg sind, sehe ich Reisländer lächeln.
    Die Wasserführung für die Räder, vom Rinnwerk außerhalb des Berges, durch verschiedene Stollen, bis herein in die Radstube, hatte ich mir schon vor meiner Prüfung zum Schiener genau angesehen: Vom oberen Rinnwerk wird das Wasser durch einen senkrechten Schacht in den Berg geleitet und durch einen extra dafür angelegten Querstollen von 165 Klafter Länge in den Martinhütt-Stollen geführt. Von hier fließt das Wasser hinab auf den Fürstenlauf und von dort, durch einen ausgeerzten Irrgarten, direkt zur Radstube. Es ist kaum zu glauben, doch für den Betrieb der Räder muß zusätzlich Wasser in den Berg geleitet werden.
    Die Lasser-Maschine schafft 300 000 Liter pro Tag. Das bedeutet, daß die lederne Bulge, die etwa 1400 Liter Wasser vom Grund aufnimmt, am Tag 215mal fahren muß.
    Die Bulge ist aus zwei Stierhäuten genäht. Gerade kommt eine hoch. Die Felle, aus denen die Bulge gefertigt ist, haben durch den längeren Gebrauch alle Haare verloren. Ein Leichentuch aus der Gruft dort unten, schießt es mir durch den Kopf beim Anblick der nackten, glatten, weißen, toten Tierhaut …
    Reisländer legt seine Hand auf meine rechte Schulter:
    »Sie muß ununterbrochen in Betrieb sein, sonst sind der Grandi und der Gapl da unten verloren. Komm, Adam, wir haben keine Zeit hier. Gehen wir hinüber zum Raber, wo unsere Männer auf eine Entscheidung warten.«

    Auf

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