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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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was mit dir los ist!«
    Wir setzen uns in Bewegung. Voran der Schauspieler und Stückeschreiber Will Shakespeare, dann ich mit Ysabel auf den Armen, hinter uns die Komödianten Pitt und Jamy, als Abschluß Edward Alleyn, der Theaterdirektor, während der Pole mit seinen Leuten zurückbleibt.
    Der dring room im hinteren Bühnenhaus ist ein großer, muffiger Raum, in dem es penetrant nach Schminke, ungewaschenen Socken und abgestandenem Bier stinkt. An den Wänden hängt eine Reihe halbblinder Spiegel. Bänke, Stühle, Tische und Boden sind übersät mit Kostümen, Stiefeln, Perücken, Requisiten. Polly, eine ältliche, rotgesichtige Frau mit lustigen Augen, fegt einigen Plunder von der Liege herunter.
    »Hierher mit der Lady!« befiehlt sie, und während ich Ysabel vorsichtig auf das mottenzerfressene Schaffell bette, kommandiert sie Pitt und Jamy um heißes Wasser, saubere Leinentücher und Whisky – »viel Whisky!«.
    Polly und ich schälen Ysabel vorsichtig aus ihren Kleidern, schneiden teilweise den Stoff einfach auf, um ihr keine weiteren Schmerzen bereiten zu müssen. Als erstes legen wir schließlich einen langen Kratzer an ihrem linken Unterarm frei, danach einen zum Glück nicht tiefen Stich an ihrer Hüfte. Schließlich entdecken wir jedoch einen tiefen, heftig blutenden Schnitt, den Ysabel quer über ihren linken Oberschenkel davongetragen hat.
    Pitt und Jamy haben inzwischen das Gewünschte herangeschleppt, und Polly tupft zunächst vorsichtig das Blut von der Schenkelwunde ab, mustert dann die Verletzung mit dem Blick einer erfahrenen Wundärztin:
    »Hätt’ noch schlimmer kommen können. Immerhin scheint die Wunde nicht verschmutzt zu sein.«
    Mit den Zähnen zieht sie den Korken aus der Whiskyflasche, nimmt einen tiefen Schluck, läßt die Flüssigkeit prüfend im Mund herumrollen, ist offensichtlich zufrieden mit dem, was sie schmeckt, schluckt schließlich. Dann hält sie Ysabel die Flasche an den Mund:
    »Trinkt, Lady!«
    Ysabel dreht angewidert den Kopf zur Seite.
    »Lady«, redet ihr Polly freundlich zu, »was ich jetzt machen muß, wird verdammt weh tun – wenn Ihr besoffen genug seid, dann merkt Ihr weniger davon. Glaubt mir, ich weiß wovon ich rede!«
    Doch Ysabel weigert sich standhaft.
    »Na, denn nicht«, lallt Polly und nimmt nochmals einen kräftigen Schluck aus der Flasche, ehe sie uns anweist: »Haltet die Lady gut fest, besonders das Bein!«
    Ich nehme Ysabel fest in den Arm, während Pitt und Jamy Hüfte und Knie festhalten. Polly gönnt sich noch einen dritten tiefen Schluck, betrachtet bedauernd den Rest in der Flasche – und kippt ihn über die offene Wunde. Ysabel bäumt sich mit einem Schrei auf und sackt ohnmächtig zusammen.
    »Hätte die Lady vernünftigerweise schon früher tun sollen«, stellt Polly trocken fest.
    Während die Frau in einen Kasten faßt, frage ich leise: »Wie sieht es aus – ehrlich!«
    »Könnt’ sehr viel schlimmer sein. Glaub’ nicht, daß die Wunden brandig werden. Die Beinwunde wird freilich eine häßliche Narbe hinterlassen und – na ja, die Muskeln sind bös zerschnitten. Mag sein, daß die Lady für den Rest ihres Lebens auf dem linken Bein etwas hinken wird …«
    Aus dem Kasten zieht Polly einen Deckeltopf hervor. Als sie ihn öffnet und eine dicke Schicht der öligen Schmiere über der Wunde zu verteilen beginnt, schlägt mir ein scharfer Geruch entgegen.
    »Was ist das für ein Zeug?« frage ich mißtrauisch.
    »Schachtelhalm und Spinnweben gegen die Blutung, Ringelblume und Melisse für die Heilung, Baldrianwurzel zur Beruhigung, Frauenmantel und Spitzwegerich gegen Entzündung, Kamille gegen den Brand – keine Sorge, Sir, ich hab’ mehr Verletzte wieder zusammengeflickt, als Ihr in Eurem Leben bislang gesehen habt!«
    Ysabel wacht stöhnend aus ihrer Ohnmacht auf.
    »Warum bist du immer noch hier?« flüstert sie mir schwach zu. »Du mußt zu Walsingham! Unbedingt!«
    »George Clifford ist sicher längst in Barn Elms«, versuche ich sie zu beruhigen. Doch Ysabel versucht sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufzurichten, klammert sich an meine Schulter:
    »Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, Adam! Das Schicksal Englands hängt davon ab, daß Sir Francis die Nachricht rechtzeitig erhält! Bitte, Adam! Bitte! Du mußt zu ihm!«
    »Also gut«, gebe ich nach.
    Bleibt die Frage, wie komme ich nach Barn Elms? Ysabel wird heute nacht bestimmt keinen Schritt mehr laufen. Cumberland und unsere übrigen Leibwächter sind fort. Und meine

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