Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Gedanken.
»… mit Alexander Endorf er ist auch nach nunmehr sieben Jahren kinderlos. Wörtliches Zitat von Onkel Hans Christoph: ›Das einzig Bemerkenswerte, was Endorfer mit seinem Schwanz je zustande gebracht hat, war wohl wirklich nur ins Taufbecken zu pissen!< Dies zu Innsbruck.
Und ich selbst: Wie ich schon erwähnte, bin ich verheiratet und habe mit Jadwiga – sie erinnert mich immer ein bißchen an Deine Maria – drei reizende Töchter, acht, fünf und zwei Jahre alt. Schade, daß Du nicht bei einer die Patenschaft bei der Taufe übernehmen konntest, aber vielleicht können wir das bei der heiligen Firmung nachholen.
Ich selbst bin mittlerweile Erster Schmelzmeister aller Kupfer- und Silberminen rund um Krakau, wir haben ein großes Haus in der Stadt und einen Landsitz außerhalb, der Dir sicherlich gefallen würde, und wenn man jüngsten Gerüchten trauen darf, so trägt sich der König sogar mit dem Gedanken, mich demnächst zum Baron zu erheben …
Ach, mein lieber Adam! Wärest Du damals doch nur meinem Rat gefolgt und mit mir aus Schwaz fortgegangen! So wie ich hättest Du hier dein Glück machen können! Ein ungetrübtes Glück, meine ich. Ein Glück, das nicht erst durch Leid, Tränen und Erniedrigung führen mußte. Gewiß, wie ich hörte, bist Du ja nun in England auch ein großer Mann geworden, bist wohl auch längst wieder verheiratet und hast eine Schar von Kindern und bist wunschlos glücklich. Nun, der liebe Herrgott wird schon wissen, weshalb er Dich den schweren, mich den leichten Weg gehen ließ, ehe wir dahin gelangten, wonach sich unsere Herzen sehnten.
Mein lieber Adam, laß von Dir hören. Vladyslav Graf Rzeszówski, der nun als Gesandter nach London geht und den Freund zu nennen ich die Ehre habe, wird Deinen Brief gerne weiterleiten.
Gott schütze Dich und die Deinen!
In Liebe Dein Bruder
Ulrich.
Ich weiß nicht, wie lange ich dagesessen und über dem Brief meines Bruders Ulrich vor mich hingeträumt habe. Ulrich, der Treue, Ulrich, der Zuverlässige, Ulrich mit dem bärbeißigen Äußeren und dem weichen Herzen, Ulrich, der einzige, der mir außer unserem Vater von der ganzen Familie je wirklich nahe gestanden hat.
Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich damals tatsächlich mit ihm zusammen Schwaz verlassen hätte? Wenn ich nicht mehr zu jener letzten Schicht im Raber eingefahren wäre? Könnte Maria noch leben? Und mein Kind? Oder waren die Fäden meines Schicksals schon damals so geknüpft, daß ich trotzdem heute hier in England wäre?
Ach Ulrich! Du hast dein Glück, deinen Frieden und dein wahres Zuhause gefunden.
Ich habe zwar Mayfield, aber habe ich auch ein Zuhause?
Ein leiser Ruf aus dem Nebenzimmer läßt mich auffahren. Draußen ist es inzwischen Nacht geworden. Ich springe auf, eile hinüber.
Ysabel ist wach. Noch immer ist sie sehr blaß. Ich kniee neben ihrem Bett nieder:
»Wie geht es dir?«
Ysabel müht sich um ein Lächeln:
»Willst du das wirklich wissen?«
Ihre Hand tastet nach meiner Rechten:
»Adam, ich glaube, ich habe mich wie eine schrecklich dumme Gans benommen! Aber ich war so sehr in Sorge um dich!«
»Schon gut, Ysabel«, hauche ich ihr ins Ohr, während ich ihr mit der Linken sanft übers Haar streiche. »Schon gut. Es wird alles wieder gut werden …«
Freitag,
der 22. Juli
Ich koche vor Wut, als sich am späten Vormittag endlich die schwere Eichentür zu Walsinghams Arbeitsraum vor mir öffnet. In dem Zimmer scheint in all den Jahren, die seit meinem letzten Besuch vergangen sind, die Zeit stehengeblieben zu sein: die fensterlose Düsternis, die Schwüle, die mir sofort den Schweiß über den Rücken perlen läßt, der wuchtige, barriereähnliche Schreibtisch, dahinter das weiße Gesicht Walsinghams.
»Vergebt mir, Sir Adam, daß ich erst jetzt die Möglichkeit finde, Euch zu empfangen, doch die letzten Tage …«
Aber ich bin keineswegs bereit, mich so leicht abspeisen zu lassen.
»Ich wünsche endlich einige Antworten und Aufklärungen!« stelle ich kategorisch fest. »Wir haben vor sieben Jahren einen Vertrag geschlossen, Sir Francis, und ich denke, daß ich meinen Teil des Vertrages bislang mehr als zufriedenstellend erfüllt habe. England verfügt über die besten Geschütze. Der Schiffskopf …«
»Ich weiß, ich weiß«, versucht mich Sir Francis Walsingham zu beruhigen. »Und setzt Euch, bitte.«
Stehend fahre ich unbeirrt fort:
»Sir Francis! Vor drei Tagen wird ein Mordanschlag gegen mich verübt, dem ich –
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