Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
Vom Netzwerk:
Tower gehen, da steh’n noch etliche Harnische rum vom König Heinrich selig …«
    Das Ausmessen des Helmes entwickelt sich zur Tortur. Während ich vom Hals abwärts zunehmend friere, läuft mir der Schweiß über das Gesicht unter einem Blechkübel, den mir Meister Halder aufgestülpt hat und dessen bewegliche Vorderteile er in immer wieder anderen Variationen aufwärts und abwärts schiebt, um den idealen Sitz für die Sehschlitze des Visiers herauszufinden. Erschwerend kommt hinzu, daß Kreszenz mittlerweile die fünfte oder sechste Lage Bier aufgefahren hat und der Meister jedes Maß sicherheitshalber zwei- bis dreimal umständlich nachprüft, ehe er es dann in seine Listen einträgt.
    Endlich, nach gut drei Stunden, sind wir fertig. Ich darf mich wieder anziehen, und Jakob Halder schleppt unterdessen seine in Schweinsleder gebundenen dicken Musterbücher heran, um mit mir das Aussehen des Harnischs und seinen zukünftigen Ätzdekor zu besprechen. Die Sache erweist sich schwieriger als angenommen. Sterndekor, das ist George Cliffords Markenzeichen. Bogengirlanden beansprucht William Sommerset, der Earl of Worcester, für sich. Breite Kreuzstreifen Robert Dudley, der Earl of Leicester. Prunkvollen Schnickschnack lehne ich wiederum ab, und so einigen wir uns schließlich auf einen Dekor von geätzten Blätterstreifen, wie sie auf meinen Geschützen zu finden sind.
    »Und was kostet das Ganze eigentlich?« frage ich vorsichtig.
    Jakob Halder dreht eines der Meßblätter um, kritzelt einige Zahlen darauf, murmelt:
    »Also, da hart ma zwei Brigantinen und an ganzen Harnisch … na ja, so um die 1000 Pfundl wirst scho’ rechnen müssen, Herr Tiroler Nachbar, gel!«
    Ich falle vor Entsetzen fast vom Stuhl:
    »So viel kostet ja ein halbes Kriegsschiff!«
    »Na und?« grunzt mich Halder ärgerlich an. »Meinst ebba, i’ bin so a windiger Blechhauer wia’s si’ heutzutag umadum Plattner nennen? Da kimmst her! Da kimmst mit!«
    Mit seiner Pratze packt mich der Plattnermeister am Arm, zerrt mich hoch, aus dem Zimmer hinaus, einen langen Gang hinunter und in einen geräumigen, verrußten Binnenhof.
    Wie sich die Bilder doch ähneln: Linker Hand liegen ein niederer Lagerschuppen für das Roheisen und ein mächtiges Holz- und Holzkohlelager, rechts sitzen in einer geräumigen Halle vier oder fünf Männer, die mit verschieden geformten Hämmern Stahlstücke bearbeiten, während im Hintergrund die Feuer in zwei Essen fauchen und an den Wänden Serien teilweise abenteuerlichst geformter Hämmer und Zangen sowie fertige und halbfertige Rüstungsstücke hängen. Abgerundet wird der Hof von einem Schmelzofen und einer zum Glück im Augenblick stillstehenden Hammerschmiede, zwischen denen das Wasser der Themse hindurchblinkt und das vertraute Wap-wap-wap der Wasserräder, die die Blasebälge antreiben, an mein Ohr dringt.
    »Schorschi, Henry, bringt’s den neuen Brustkrebs vom Herrn Sommerset und hengt’s ihn auf. Nicki, mei Pistoin und’s Puiver!«
    Hastig schleppen die Gerufenen das Gewünschte heran. Jakob Halder packt das langläufige, schwere Pistol, lädt es mit einer doppelten Pulverladung, setzt die Bleikugel auf, stößt sie im Lauf fest und spannt den Hahn.
    »So, und jetzt paß auf, Herr Österreicher!«
    Meister Halder hebt das Pistol, legt es auf die Harnischbrust an, die in einem Abstand von kaum zehn Schritt auf einem Holzgestell im Eck zwischen Lagerschuppen und Hammerschmiede aufgehängt ist. Der Schuß knallt, und das heftige Schaukeln des Rüstungsteiles zeigt deutlich an, daß er getroffen hat.
    Wieder packt mich Halder am Arm, schleppt mich zu dem Brustharnisch:
    »Da, schaug!«
    Auf dem Harnisch zeigt ein breiter Bleischmierer, wo die Kugel aufgeschlagen und abgeglitten ist. Alit seinem dicken Daumen reibt der Plattner die Bleispur ab, unter der wieder der blanke, glatte, nicht einmal durch den leichtesten Kratzer beschädigte Stahl hervorkommt:
    »Gel, da schaugst! Des, Herr Österreicher, is’ Großschedel-Haldersche Wertarbeit!«
    Sichtlich friedfertiger schleppt mich der Meister wieder ins Haus zurück an unseren Eichentisch, prostet mir mit einem neuen Humpen original Münchner Bier zu und fragt dann ruhig: »Also, zoist oder zoist net?«
    Ich hole tief Luft.
    »Ich zahle.«
    »So is’ recht, Herr Nachbar!«, und wieder einmal rempeln krachend unsere Bierkrüge aneinander.
    »Und wann bekomme ich meinen Harnisch?«
    »Jetz ham ma Ende Juli«, rechnet der Plattnermeister. »Dann hätt’ ma Ende

Weitere Kostenlose Bücher