Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
ihren Vormarsch in nördlicher Richtung durch einen Überfall vereiteln.
Beigedreht treibt die Flotte mit dem Wind. Wie kleine Wasserflöhe dümpeln die Pinassen um das Flaggschiff herum. Drake wird wohl in diesen Minuten seinen detaillierten Angriffsplan, die Aufgaben der großen Kriegsgaleonen, Risiken und Alternativen bis hin zu einem möglichen Rückzug mit den anwesenden Kapitänen besprechen und diskutieren. Auf Deck herrscht gespannte Stimmung. Die Erwartungen und die Ungewißheiten erzeugen stumme Menschen. Jeder ist in diesen Minuten mit sich selbst beschäftigt. Rastlos ziehe ich meine Kreise auf dem Achterdeck und peile bei jeder Runde hinüber zu E LIZABETH B ONAVENTURE .
Nach einer guten halben Stunde ergießt sich ameisengleich ein Menschenknäuel über die Strickleitern der Steuerbordseite von Drakes Flaggschiff in die wartenden Boote. Die Sonne hat gerade ihren Zenit überschritten, als Fenner über unsere Reling wieder an Bord kommt. Doch er kommt sichtlich unzufrieden von der Besprechung auf Drakes Schiff zurück, wendet sich schroff an seinen Ersten Offizier:
»Master Roberts! Laßt alle Segel setzen und Schiff klar zum Gefecht machen. Wir greifen sofort an!«
»Aye, aye, Sir.«
Mich hält es nicht mehr auf dem Achterdeck. Schnell steige ich hinunter und gehe auf Fenner zu.
»Was hat Drake vor? Wie lauten die Befehle?«
»Seine Befehle? Wir werden keine Minute zögern! Das waren seine Befehle!«
»Keine weiteren Anordnungen, keine Pläne, keine Aufgabenverteilung?«
»Sir Adam! So was kostet doch nur wertvolle Zeit«, antwortet er mit Sarkasmus. »Ihr segelt mit El Dragón und in seinem Kielwasser direkt hinein in die Feuerstube der Hölle. Der Teufel wird sich so erschrecken, daß er zu keiner Reaktion fähig sein wird. Der Rest wird sich irgendwie ergeben.«
»Was meinte Vizeadmiral Borough dazu?«
»Er schäumt vor Wut. Doch was soll’s, kümmern wir uns um unser Schiff und unsere Mannschaften.«
Pfeifen schrillen durch die Decks, und die Seesoldaten schlagen einen aufrüttelnden Trommelwirbel dazu. Fenner brüllt sich die Spannung aus dem Leib:
»Klaaarschiff zum Gefecht! Alle Mann auf Gefechtsstation! Master Roberts, lassen Sie backbordhalsen, Kurs Cadiz! Sir Adam, habt ein besonderes Auge auf Eure zehn 18pfünder der Steuerbordseite. Die Geschützbedienungen sind jung und noch nicht richtig eingespielt. Sie sollten innerhalb einer anständigen Zeit klar melden. Danach wäre ich froh um Eure Einschätzungen hinsichtlich der Küstenbatterien.«
Ich eile den Niedergang hinab und beobachte die einzelnen Handgriffe der Kanoniere. Die wichtigsten Gunner dieser Batterie sind in Plymouth desertiert, als durchsickerte, wohin die Reise gehen soll. Noch heute meint Drake, daß dieser Verrat durch Agenten in den eigenen Reihen verursacht wurde. Inzwischen kennen mich die Männer, da ich bei jedem Exerzieren zugegen war. Im Verein mit Master Saddler, dem Batterieführer, haben wir die Männer hart rangenommen.
Die Sonnenstrahlen verirren sich kaum noch in das düstere Batteriedeck, so daß ich mich an das Zwielicht erst gewöhnen muß. Von den Schiffsjungen, die Sand mit ihren Händen über das Deck streuen, damit die Männer festen Halt für ihre Füße finden, den Pulverjungen, die aus der Tiefe der Pulverkammer mit je einer Ladung für ein Geschütz heraneilen, bis hin zum Laden der Rohre durch die Geschützbedienungen halte ich das Tun scharf im Auge. Die Wachen der Seesoldaten trampeln durch das Deck. Sie sollen gewährleisten, daß kein Mann unberechtigt nach unten kommt, um sich auf den Decks unterhalb der Wasserlinie zu verbergen. Die Zurrings der Kanonen werden losgeworfen, die Bedienungen stehen an den Takeln und warten auf den Befehl zum Öffnen der Pforten und zum Ausrennen ihrer Geschütze.
»Master Saddler, melden Sie die Steuerbordbatterie klar zum Gefecht.«
»Aye, aye, Sir.«
Nach wenigen Augenblicken ist er wieder zurück:
»Master Roberts dankt für die Meldung. Mit dem Ausrennen der Geschütze soll noch gewartet werden.«
Noch einmal vergewissere ich mich, daß hier unten alles zum Besten steht und begebe mich wieder an Deck. Fenner steht auf dem Achterdeck mit Blick auf die nachfolgende R AINBOW . Seine Hände sind hinter dem Rücken fest ineinandergekrallt. Ein seltsamer Zustand der Erstarrung, der echten Kampfgeist oder aber auch totale Unsicherheit bedeuten könnte.
Die Brigantine! Wenn nicht jetzt, wann sonst? Eine gute Gelegenheit Fenner aus dem Grübeln zu
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