Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
diesem herrlichen Tal, wenn wir Euch im neuen Jahr wieder verlassen.« Die Worte der freundlichen Frau mit ihren sanften Zügen sind wie Balsam.
Lady Grenville dagegen ist hochgewachsen und ziemlich schlank. Die dünnen Lippen in ihrem ovalen Gesicht verschwimmen mit der natürlichen Blässe ihres Teints. Das venezianisch-rote Haar umrahmt sie wie ein loderndes Feuer. Die feine Nase und der schwanengleiche Hals erzeugen insgesamt die Wirkung einer äußerst anmutigen Frau. Daneben das Wrack, Sir Richard Grenville.
»Es ist mir eine besondere Ehre, Sir Richard, daß Ihr und Lady Grenville der Einladung gefolgt seid.«
Sir Richard blickt mich ernst an und poltert los:
»Ich muß sagen, sehr charmant, Eure Festung. Und erst das prasselnde Signalfeuer auf dem riesigen Mast. Verratet mir eins: Vor was soll es warnen?«
»Davor, daß Englands Regierung sich in Zukunft keine Artillerie mehr leisten will!«
»Fürchtet Ihr Euch nicht davor, hingerichtet zu werden?«
»Noch nicht …!« antworte ich verdutzt.
Lady Grenville blickt ihren Mann entsetzt an, doch der fährt ungeniert fort:
»Macht Euch nichts daraus, Sir Adam, denn Ihr werdet den ersten, unerschrockenen und unnachgiebigen Staatsdiener Ihrer Majestät um Längen überleben. Sollte er aber zudringlich werden, so empfehle ich, immer 200 Pfund Kanonenpulver im Keller zu haben, damit die weiteren Bemühungen gleichsam in die Luft gesprengt werden. Ich bin gegen jegliches Siechtum. Wenn schon, dann will ich ins Jenseits Begleitung haben. Und davon reichlich!«
»Richard!! Augenblicklich hörst du auf, so zu sprechen! Wir haben keine Sprengungen zu planen, sondern Silvester zu feiern.«
Lady Grenvilles Drohung bringt ihn tatsächlich zum Schweigen. Breit grinsend klopft er mir auf den Rücken. »Ich weiß, ich bin auf absolut friedlichem Boden hier. Verzeiht! Ich denke, Ihr wißt, wie ich das gerade meinte.«
Davison ist der letzte, den ich begrüße:
»William! Herzlichen Dank für dein Kommen. Ich habe aus deinem Schicksal gelernt.«
Der feste Händedruck bestätigt, daß wir wieder gemeinsam auf einer Seite stehen.
»Kommt bitte zu Tisch!«
»Sie war vorzüglich!« – »Exzellent!« – »Das Beste seit Wochen!« - »Ein zweiter Gang wäre zu begrüßen!« – »Die Erbsen hatten doch wahrhaftig die Knackigkeit von Kieselsteinen …!«
Mit jedem neuen Lob, das rund läuft, steigt die Stimmung an der Tafel.
»Das Rezept! O ja, wir brauchen das Rezept! Sir Adam, könnt Ihr es uns verraten?«
»Vielleicht im nächsten Jahr.«
»O nein! Das können wir nicht abwarten. Das wären ja noch ganze fünfzehn Minuten. Bitte gebt nach, wo wir Euch doch zu Füßen liegen«, kokettiert Lady Simpson in Vollendung. Mein Widerstand schmilzt dahin:
»Also, Myladies, ich gebe mich geschlagen. Das Rezept: Parma Seezunge nach Mayfield-Art! Eigentlich sehr einfach und absolut ungefährlich …«, Heiterkeit begleiten meine Ausführungen. »Neun Seezungen häuten und ausnehmen, kräftig salzen und bei größtmöglicher Hitze schnell grillen – außen muß der Fisch verkohlt, innen roh sein. Das Besondere allerdings ist die Mixtur der Gewürze, mit der die Seezungen vorher eingerieben wurden. Die richtige Mischung ist genauso wichtig wie die Metallmischung der Feldschlangenbronze!«
»Ah! Nun ist alles klar!« fällt Matthew ein. »Jetzt wo in England die Werften und Gießereien in einen königlich verordneten Winterschlaf fallen, probiert der Erste Geschützgießer Ihrer Majestät auf kleiner Flamme neue Rezepte aus!«
»Genauso ist es, lieber Matthew. Ich pflanze in den Formkästen zur Zeit Petersilie, Möhren und Sellerie. Alle drei Tage mach’ ich ein schwaches Feuerchen darunter. Ich sage Euch, das Zeug wächst auch im Winter.«
»Das müssen wir uns ansehen!« ruft Lady Grenville begeistert.
»Wie ist es mit Eurer Gewürzmischung bestellt?« läßt Lady Simpson nicht locker.
»Nun zur Mischung benötigen wir drei Lorbeerblätter, 13 Pfefferkörner, 10 Kardamonkörner, eine Zwiebel und Petersilie. Das ganze fein gehackt in einer Schale zusammenreiben und die Seezungen darin wälzen. Zuvor aber den Fisch mit etwas Öl einpinseln. Dazu die Erbsen. Sie müssen ihre Knackigkeit behalten! Daher nur kurz einweichen und noch kürzer kochen. Das ist alles.«
»Bravo! Bravissimo!« applaudiert ausnahmslos die Damenrunde. Entzückt ernte ich die Ovationen, dabei wandert mein Blick zur Sanduhr auf dem Kaminsims.
Das Jahr geht zu Ende. Ich muß mir meinen Ärger,
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