Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
drei Stunden geschlafen, nur damit auch ja jedes Falkonet, jede Schlange rechtzeitig auf ihrem Platz stand.
Dann die Schlacht – Du weißt, wie sie ausging …
Am kommenden Wochenende wird also mit großem Prunk und Aufwand der Sieg über die Armada und das 30. Krönungsjubiläum der Königin von den Auserwählten gefeiert werden. Und weil man zu einem derartigen Anlaß ja auch eine entsprechende Kulisse benötigt, darf sich London festlich schmücken und die Londoner als staunende und jubelnde Masse als Zaungäste an dem Ereignis teilnehmen.
Wer fehlt, selbst als Zaungäste, das sind diejenigen, die in der Tat England gerettet haben! Das sind diejenigen, die mit ihrem Einsatz und ihrem Blut dazu beigetragen haben, daß Elizabeth, statt in einem spanischen Kerker ihrem Todesurteil entgegenbangen zu müssen, in fünf Tagen hier in Glanz und Gloria ihr Krönungsjubliäum feiern kann!
Wie hatte die Königin zu Tilbury im Augenblick der höchsten Gefahr für ihren Thron, ihre Person erklärt? »Wir wissen, daß ihr Auszeichnungen und Kronen verdient hättet, und Wir geben euch Unser fürstliches Wort, daß ihr dafür königlich entlohnt werdet.«
Das fürstliche Wort der Königin zu Tilbury – Tilbury, das zum Elendsquartier Tausender immer noch unbezahlter, immer noch unversorgter Matrosen und Milizionäre geworden ist …
Ja, auch ich bin enttäuscht, ausgelaugt, verbittert.
Aber geschlagen – nein, das bin ich nicht!
Du schriebst, Graf Rzeszówski sei Dein Freund, dem du vertraust. So werde auch ich ihm vertrauen – verrät er mich, so warten wohl Tower und Richtblock auf mich.
Ich gedenke, England zu verlassen – heimlich, denn die Ausreise ist mir streng verboten worden.
Ich beabsichtige zunächst zu Dir nach Krakau zu kommen, zu Dir, meinem Bruder. Ich hoffe, es wird mir bald gelingen.
Zuvor freilich werde ich – ausgesperrt von der offiziellen Feier zum Sieg über die Armada – doch noch meine eigene Feier veranstalten: zu Silvester in Mayfield, die Feier der Ausgeschlossenen, Vergessenen und Betrogenen! Meine Gästeliste steht schon: Zunächst natürlich Matthew Baker, den man zuallermindest hätte zum Ritter schlagen müssen! Dann natürlich William Davison, der seinen Kopf für die Königin und Walsingham hingehalten hat und dafür abgeschoben wurde. Den tapferen Sir Richard Grenville, diesen permanenten Pechvogel samt Gattin, die es wohl auch nicht verdient hat, mit einem ewigen Verlierer verheiratet zu sein. Und schließlich Cumberland, der einen guten Teil seines Vermögens eingesetzt und dafür nicht einmal einen Orden erhalten hat. Nicht ganz dazu paßt Lady Simpson, die er sicherlich mitbringen wird. Ich könnte durchaus noch Drake, Hawkins und Dutzende andere ebenso berechtigt einladen, doch ich will es bei diesen Gästen belassen.
Und dann im Frühjahr, wenn die Seefahrt wieder möglich ist, werde ich England verlassen – falls es gelingt. Ich werde hier keine einzige Feldschlange mehr gießen.
Ich freue mich auf Dich!
Gott schütze Dich und die Deinen.
Bis bald!
Dein Bruder Adam.
18
Der letzte Beacon
Mayfield, Rye
1588-1589
Dienstag,
der 31. Dezember
Sie findet statt, meine Silvesterfeier – ungeachtet aller Undankbarkeiten, die meinen Zorn in den vergangenen Wochen angestachelt haben. Nicht einmal die Erniedrigungen und schon gar nicht die Verurteilung zum Nichtstun können mir den Jahreswechsel, zu dem ich meine Freunde erwarte, verleiden. Selbst wenn die Königin in der letzten Nacht gestorben wäre, würde ich feiern, als ob mich das nichts anginge.
Das Jahr mit seinem ungeheuren Ereignis geht vorüber, ein Jahr, an dessen Ende ich mir keinesfalls zufrieden die Hände reiben kann. In Mayfield sind nach wie vor die Schmelzöfen kalt, und in die Gußgruben davor dringt unwiderstehlich die Feuchtigkeit ein. Inzwischen hat sich auch das Mißtrauen Londons in jeder Nische eingenistet. Warum es sich besonders in meinen Gemäuern wohlfühlt, ich kann es mir denken.
Nur Ysabel, die über den Jahreswechsel bei ihren schwach gewordenen Eltern in London weilt, ist sich über die Situation völlig im klaren. Drei Möglichkeiten sieht sie, die Ursache sein könnten und daher das neue Jahr so oder so prägen werden.
Entweder ist das Ruhen meiner Gießerei nur eine Begleiterscheinung der unruhigen Zeit, deren Schwankungen ebenfalls Zeit brauchen, um wieder Stabilität zu erlangen, was in enger Verbindung zu den leeren Geldtruhen des Navy und Ordnance Board steht, die auch nach
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