Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
durchgesickert?«
»Das mußt du doch am besten wissen!« fährt sie mich an.
»Meine Rede? Die Sache mit Lady Joan? Ich weiß, ich hätte mich nicht mit ihr einlassen dürfen. Mein Fehler!«
»Dein Fehler ist wenig schmeichelhaft für mich …«
Ich gebe mir Mühe, das Bedauern in meine Stimme zu legen, das ich in diesem Moment empfinde:
»Ich gebe zu, es war nicht in Ordnung. Ich muß dich um Verzeihung bitten. Das andere, denke ich, wird sich wieder beruhigen.«
Ysabel springt hoch, Tränen schießen in ihre Augen. Ich nehme sie spontan in meine Arme. Schluchzend bricht es aus ihr heraus:
»Es gibt keine Schonzeit! Du hast dir alles selbst zerstört. Sie werden kommen.«
»Kommen!? Wer kommt?«
»Männer, die dich holen wollen.«
»Wohin?«
Ysabel hat sich wieder gefaßt und löst sich aus der Umarmung. »Bist du so ahnungslos, oder tust du nur so?«
»Vielleicht bin ich es wirklich. Also, was ist los?«
»Die Bedrohung steht schon vor den Palisaden. Wir haben vielleicht nur noch eine einzige Nacht voraus.«
Die Bedeutung des »wir« ist mir nicht klar und irritiert mich.
»Du sagst ›wir‹ …?«
»Walsingham plant, mich von hier abzuziehen. Er hat mich schamlos mit deiner Affäre mit Lady Joan konfrontiert. Du hast ihm einen famosen Grund geliefert. Einen Grund, den er immer dann als Druckmittel einsetzt, wenn ihm die Bindungen zwischen Bewachtem und Bewacherin zu stark erscheinen.«
»Meinst du, er hat das mit Joan geplant?«
»Alles ist möglich. Er könnte damit gerechnet haben. Er kennt deine Schwächen besser, als du denkst. Vielleicht meint er, ich könnte so leichter auf das Leben in Mayfield Furnace verzichten.«
»Es tut mir von Herzen leid. Verzeihst du mir?«
Ysabel blickt mich lange an. Nur mühsam kann ich ihren Augen standhalten. Dann höre ich die erlösenden Worte:
»Ich verzeihe dir deine schwache Stunde, denn vielleicht war dies alles von Walsingham beabsichtigt.«
Ich sehe für einen Moment das wächserne Gesicht von Barn Elms vor mir und balle die Hand zur Faust:
»Wie hast du ihm gegenüber reagiert?«
»Wie eine betrogene Frau eben reagiert, die nicht zugeben darf, daß ihr das Geschehene etwas ausmacht. Gekränkt und betroffen, das Ganze elegant maskiert. Walsingham hat wohl die Wahrheit ein wenig gespürt, doch Haßtiraden auf dich habe ich mir verkniffen. Ich forderte dennoch für mich selbst erst einmal Genugtuung. Er hat mir abgenommen, daß ich ihm in meiner Kränkung besonders dienlich sein und dich zuverlässig abliefern werde. Hätte er Zweifel gehegt, ich wäre niemals nach Mayfield Furnace zurückgekehrt.«
Sanft ziehe ich sie an mich heran.
»Ich danke dir! Doch worin besteht die Gefahr?« frage ich, als sie sich wieder von mir löst.
»Ich befürchte das Schlimmste.«
»Steckt nur Walsingham dahinter?«
»Er sicher, aber nicht allein. Die Königin rast. Sie fordert harte Maßnahmen und Genugtuung. Seit wann ist denn Cumberland dein Feind?«
»Seit Neujahr! Diese fliegende Feder … Welches Spiel treibt er in London gegen mich?«
»Deine Rede! Du giltst jetzt als höchst unzuverlässig. Dein Columbus-Vergleich hat Walsingham erst richtig aufgeschreckt. Ich habe nur noch mitbekommen, daß du nach London gebracht werden sollst. Einmal wegen deiner Gedanken, die du öffentlich gemacht hast, zum anderen wegen der Königin. Sie hat Walsingham mehr oder weniger zum Handeln gezwungen. Cumberland wurde zuvor von ihr empfangen.«
»Wann wird er handeln?«
»Das kann nicht lange dauern. Sie werden von London aus schon unterwegs sein. Ich bin daraufhin sofort zum polnischen Botschafter, Graf Rzeszówski, gegangen. Seine Leute sind mir gefolgt. Falls du die Sache in London nicht auskämpfen willst, Polen empfängt dich mit offenen Armen. Sie warten nur noch auf ein Zeichen – heute nacht.«
»Welches Zeichen?«
»Zum Zeichen deines Einverständnisses, heute nacht noch über Rye England mit dem Schiff zu verlassen, sollst du den Beacon anzünden.«
»Mit welchem Schiff?«
»Es ist die W ITCH OF C UMBER C ASTLE ! Sie wird morgen auslaufen.«
»Und du?«
»Ich komme mit. Für Walsingham werde ich nirgendwo mehr hingehen. Meine Eltern sind alt. Ihnen wird er nichts mehr anhaben können. Nur für meine Eltern bin ich in Walsinghams Dienste getreten. Jetzt ist Schluß! Ich will endlich in Ruhe gelassen werden …« Tränen rollen wieder über Ysabels Wangen.
»Dann müssen wir seinem Arm entkommen. Packen wir unsere Sachen!«
»Da ist noch
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