Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
das Haus Sir Mortimers von den Södermanländern und den Polen unter Beobachtung gehalten wurde und mein Auftauchen dort nur zu weiteren Vorsichtsmaßnahmen Anlaß gegeben hätte.
Aus diesem Grund knüpfte ich meine guten Beziehungen zur jüdischen Gemeinde wieder an, die ich in Venedig bereits mit viel Erfolg und Nutzen für England gepflegt hatte. Die Situation der Juden in Polen und besonders in Krakau ist einmalig in der Welt. Zwar schützen Venedig und einige deutsche Städte ihre Juden, doch so großzügige Freiheit und Unterstützung wie durch die polnische Regierung genießen sie nirgendwo sonst. Ende des letzten Jahrhunderts wurden die Krakauer Juden zwar aus der Stadt selbst verbannt, doch erhielten sie damals ihre eigene Stadt, Kazimierz, am jenseitigen Weichselufer an der Handelsstraße, die Breslau mit Ruthenien und Ungarn verbindet. Dieses Oppidum Judaeorum ist nicht nur ein abgeschlossenes Stadtviertel oder wie in Venedig eine Insel, sondern eine richtige Stadt, geschützt durch die Weichselarme und seit 1553 durch Mauern mit drei Toren. Ihre Größe und Einwohnerzahl steht derjenigen Krakaus selbst nicht viel nach! Und der Zustrom von Juden vor allem aus Böhmen, Mähren, Deutschland und Italien, den Aschkenasim, wie sie genannt werden, hält weiter an, insbesondere jedoch, seit die Heilige Inquisition mit den strikten Judenverfolgungen der Sephardim auf der iberischen Halbinsel begonnen hat.
Vor allem auf letztere setzte ich große Hoffnungen, mußten sie doch verständlicherweise den Siegern über die spanische Armada größte Sympathien entgegenbringen.
So erschien es mir wie ein Fingerzeig des Himmels, als ich auf dem Krakauer Marktplatz den jüdischen Kaufherrn Levi Landau traf, den ich seinerzeit in Venedig kennengelernt hatte. Auf einem langen Spaziergang am Ufer der Weichsel entlang setzte ich ihm mein Problem auseinander, wies ihn auf die verheerenden Folgen für die Juden hin, wenn die englische Flotte verfallen, Spanien wieder erstarken würde, schilderte ihm die Gefahren, die seinen Glaubensbrüdern überall in Europa somit durch ein übermächtiges Polen drohten, bat ihn schließlich eindringlich um Rat und Unterstützung.
Levi Landau hörte sich meinen Vortrag schweigend an und versprach endlich, meine Bitte dem Kahal, der jüdischen Gemeinde, genauer gesagt deren Oberhäuptern, vorzutragen. Drei Wochen vergingen, ehe mich Landau nach Kazimierz bat.
Levi Landau holte mich am Jüdischen Tor ab. Obwohl Kazimierz eine Stadt ist, keine enge Insel wie das Ghetto in Venedig, war das Gedränge der Menschen, das Geschrei der ihre Waren anbietenden Händler, das bunte Durcheinander von Männern, Frauen, spielenden Kindern, streunenden Hunden, rumpelnden Karren, schreienden Eseln und meckernden Ziegen, das babylonische Sprachgewirr aus Deutsch, Polnisch, Italienisch, Ungarisch und Spanisch noch verwirrender als dort.
Voll Stolz wies mich Landau auf die verschiedenen wichtigen Gebäude rechts und links hin, die Hohe Synagoge, auf Strebepfeilern errichtet über einem Tuchhändlergeschäft, die Alte Synagoge an der Ecke der Breiten Straße, dem Hauptplatz von Kazimierz mit den Häusern der Reichen ringsum. Der Bau war bereits Ende des letzten Jahrhunderts errichtet worden und dem großen Brand von 1557 zum Opfer gefallen. Der berühmte italienische Baumeister Matteo Gucci hatte den zweischiffigen Hallenbau samt Vorbau und Frauenempore vor zehn Jahren neu errichtet. In ihrem Hof werden auch die Versammlungen der Gemeinde abgehalten, der Kahal gewählt und Hochzeiten abgehalten.
Gleich daneben machte mich Landau auf die kleine Synagoge auf’n Bergel aufmerksam:
»In ihrem obersten Zimmer brennt immer ein Licht. Es ist die Wirkungsstätte des M’galeh Amukot, des ›Enthüllers der Geheimnisse‹, Rabbi Nathan Spira, des Kabbalisten – Ihr werdet ihn kennenlernen.«
Vorbei an der Poper-Synagoge, genannt nach ihrem Stifter, dem Kaufmann Wolf Poper, und der Mikweh, dem rituellen Bad, gelangten wir zu einem stattlichen, dreistöckigen, aus rotem Ziegel errichteten Gebäude, das fast die ganze Nordfront der Breiten Straße einnimmt und dem Kastellan Wawrzyniec Spytek Jordan gehört.
Doch ehe wir eintraten, wies Landau nach der anderen Straßenseite hinüber zu einem eisernen Törchen, hinter dem sich die Remuh-Synagoge und ein kleiner Friedhof verbergen.
»Rabbi Moses Isseries, kurz Remuh genannt, starb vor acht Jahren. Schade, daß Ihr ihn nicht mehr erleben durftet! Er war ein Weiser, ein
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