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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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Hilfsquellen dieser Weltmacht für mein Ziel öffnen. Das Problem dabei ist nur: Ich bin Engländer. Von allen Nationen dieser Welt ist derzeit England genau diejenige, für die kein Habsburger auch nur einen Finger rühren wird! Trotzdem ließ mich der Gedanke nicht mehr los.
    Als ich mich in der nächsten Nacht schlaflos auf meinem Lager wälzte, schließlich aufstand und ans Fenster trat, da lag die Lösung direkt vor meinen Augen: Jenseits des Rings winkte mit seinen Ziergiebeln, breiten Bogenfenstern und im Mondlicht schwarz erscheinenden Sgraffiti-Malereien das Thurzo-Haus herüber.
    Thurzo – Fugger! Fugger!
    Marx Fugger aus Schwaz!
    Nicht die Habsburger – aber ein Untertan der Habsburger, reicher noch als die Habsburger, durch seine Freunde und Geschäftspartner, die Thurzos, hier im Zips an der polnischen Grenze wohl vertreten, mochte aus persönlichen Gründen sehr wohl Interesse haben, meinen Auftrag zu unterstützen!
    Am nächsten Morgen, es war der 8. August, sattelten wir in aller Frühe die Pferde, und ritten nach Südosten davon.

August 1589
    Über Neusohl, Neutra und Preßburg erreichten wir die Donau, umgingen Wien, ritten die Donau aufwärts über das Kloster Melk und Linz nach Passau ins Bayrische, folgten dem Inn über Altötting und Wasserburg, erreichten bei Kufstein wieder Habsburger Land und trafen am 18. August in Schwaz ein.
    In der Umgebung der Stadt beobachtete ich erfreuliche Vorzeichen für meine Mission. Während offensichtlich nur ein einziger Schmelzofen in Betrieb war, hatten sich in den Jahren seit meinem letzten Besuch die Abraumhalden mit totem Gestein überall an den Mundlöchern der Stollen lawinenartig vergrößert. In der Stadt selbst war die gedrückte Stimmung durch den immer geringer werdenden Bergsegen allgegenwärtig.
    Zwei Tage später saß ich Marx Fugger gegenüber. Entsprechend der zurückgehenden Ausbeute der Kupfer- und Silberminen in Tirol und damit seiner eigenen Bedeutung ist sein Bedürfnis, sich als Mittelpunkt des Welthandels darzustellen, noch gestiegen. Fast eine halbe Stunde mußte ich mir anhören, wie Herr Marx, hinter seinem überdimensionalen Schreibtisch wie ein regierender Fürst thronend, seinem Sekretär Dionysius Bachleitner mit dröhnender Stimme Anweisungen gab, einen Millionenkredit für Philipp von Spanien vorzubereiten, dem türkischen Sultan eine Lieferung von 5000 Zentnern Schwazer Silber anzukündigen, in Neapel drei Schiffsladungen Seide und Brokate zu ordern, Papst Innozenz IX. eine Spende von 100 000 Gulden zu übermitteln, in Lissabon 2000 Zentner Zimt und Pfeffer aus Ostindien zu kaufen und eine Handelsdelegation an den Zaren in Moskau zu schicken. Dann konnte er sich »eine Minute freimachen« für mein Anliegen.
    Natürlich durfte ich Fugger nicht den wahren Grund nennen, weshalb England unter allen Umständen verhindern mußte, daß Sigismund von Polen Dreylingsche Schlangen und Kanonen in die Hände bekam. Durfte selbstverständlich dem Habsburger Untertan nicht eingestehen, daß die Lebensader von Englands Flotte durch die Ostsee nach Rußland in Gefahr ist, einer Flotte, die sich vor allem ja gegen Habsburg richtet. So beschränkte ich mich darauf, ihm die erschreckenden Möglichkeiten einer polnischen Großmacht vor Augen zu führen:
    »13 Städte der Zips hat Polen bereits geschluckt. Wie lange wird es dauern, wenn König Sigismund erst über Dreyling-Kanonen verfügt, bis auch Leutschau und Neusohl samt Euren Silber- und Kupferminen in seine Hand fallen?« rief ich pathetisch aus. Ich senkte meine Stimme zu eindringlichem Flüstern ab. »Und ist es denn ein unschuldiger Handwerksmeister, in dessen Hand also das Wohl des Hauses Habsburg, die Zukunft Europas, Euer eigenes Schicksal liegt?« Langsam steigerte ich meine Lautstärke wieder. »Ist es ein ehrenwerter Mensch mit lauteren Absichten? Oder ist es vielmehr ein Wortbrüchiger? Ein Verräter? Ein Aufrührer? Eine Bestie in Menschengestalt?« Ich war aufgesprungen, donnere mit voller Lautstärke. »Ist es denn nicht jener Adam Dreyling, der sich einst wider Euch erhoben hat? Jener Adam Dreyling, der Anno 1574 die Fackel der Empörung hier in Schwaz geschwungen hat? Wollt Ihr ihm, ausgerechnet ihm die Macht über Europa, über Euer eigenes Schicksal anvertrauen?«
    Auch Herr Marx Fugger hatte sich nun erhoben und beugte sich weit über seinen überladenen Schreibtisch, um meine Hände zu ergreifen:
    »Nie und nimmer! Nie und nimmer!«
    Ich war am Ziel – so glaubte ich.

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