Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Dreylings!« kam es im Chor zurück. Sogar die Weiber ließen sich zum Schluck auf den Tod verführen. Zenon Querini, der sich bis dahin mit Gelassenheit alles angehört hatte, drückte seine Ablehnung dadurch aus, indem er als einziger seinen Becher nicht anrührte. Fugger, der es bemerkte, reagierte empört:
»Venedig verzeiht wohl neuerdings großzügigst seinen Verrätern?«
Querini wich dem Angriff elegant aus: »Auf Lüge, Heimtücke, Skrupellosigkeit, Stümperei und fehlende Gegenbeweise hat Venedig noch nie sein Glas erhoben!«
»Na, dann doch hoffentlich zerbrochen?« giftete Fugger zurück.
»Venezianisches Glas? Nein, viel zu kostbar!« antwortete Querini ruhig.
Don Cristóbal Maria de Alvarez schlug sich auf die Seite Fuggers:
»Ihr vertretet Eure Republik, als befände sie sich nicht in Auflösung! In Wahrheit besteht Venedigs Skrupellosigkeit darin, daß es Religion und Moral schon längst aufgegeben hat und diesen Zustand auch noch verteidigt. Hättet Ihr Eure Macht gegenüber Dreyling im richtigen Moment genutzt, wäre Europa heute unter dem wahren Glauben gefestigt. Doch der Serenissima geht das eigene Wohlergehen immer noch über alles. Türken, Engländern kriecht Ihr ins Gesäß, dafür macht Ihr Euch die unmittelbaren Nachbarn zu Feinden. Eine feine Moral vertretet Ihr. Solltet Ihr Eurem Dogen Bericht geben, dann vergeßt nicht zu erwähnen, daß Madrid Venedigs Handel schon in den nächsten Jahren ersticken wird. Spätestens dann werden wir Euren Pferden auf dem Markusdom die Zügel anlegen.«
Bevor ich auf sein »Gesäß« entgegnen konnte, erwiderte Querini: »Dann solltet Ihr umgekehrt Philipp ausrichten, daß wir ihn und Eure Drohungen nicht fürchten, es sei denn, er würde bei uns das Bankgeschäft erlernen. Dann bestünde eine gewisse Berechtigung, denn dann hätte er wenigstens gelernt, wie die fünfte oder sechste Zahlungsunfähigkeit Eures Armenreiches abzuwenden wäre!«
Alvarez fuhr wutentbrannt auf: »Ich verbitte mir diese Beleidigungen gegenüber dem Königreich …«
»Monsignore d’Angelis, sprecht Ihr doch bitte ein Machtwort, um diese Auseinandersetzung zu beenden«, bat Dr. Johann Dreyling den päpstlichen Nuntius. Der kaute zunächst langsam seinen Bissen hinunter, spülte mit einem großen Schluck Wein nach, ehe er kurzatmig hervorstieß:
»Mein lieber Herr. Wir verstehen den Zorn mancher der hier Anwesenden sehr wohl. Doch sollten wir auch der Bitte im Gebet Unseres Herrn eingedenk sein: Vergib uns unsere Schuld. Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.«
Völlige Ratlosigkeit ob dieses Spruches malte sich auf fast allen Gesichtern. Dr. Moser faßte sich als erster und fragte:
»Monsignore, ich fürchte, ich habe Euch nicht ganz verstanden. Ich bitte Euch höflichst um eine Erläuterung Eures Wortes.«
D’Angelis lächelte milde. »Aber mein lieber Herr Doktor. Wißt Ihr denn nicht, daß die heilige Kirche eine Kirche der Liebe und der Vergebung ist. Wie es die Heilige Schrift befiehlt?«
»Gewiß, gewiß …«, stotterte der Geheime Rat. »Doch wenn ich Euer Eminenz erinnern darf, so waren wir uns doch alle einig …«
»Alle?« fragte der Monsignore und zog leicht die Augenbrauen hoch. »Ja. Die Mehrzahl der hier versammelten war sich in der Tat darüber einig. Daß Dreyling der Prozeß gemacht und er verurteilt werden sollte.«
»Und Ihr etwa nicht?« platzte Fugger dazwischen.
»Es ist nicht Sache der Kirche, der weltlichen Gerechtigkeit in den Arm zu fallen«, erklärte d’Angelis salbungsvoll. »Doch da es Aufgabe der Kirche ist, Gott auf Erden zu vertreten, so hat sie natürlich auch alle anderen Aspekte zu berücksichtigen.«
»Welche anderen Aspekte?« fragte Fugger lauernd nach.
»Nun, seht. Polen ist schließlich ein katholisches Land. Ein sehr katholisches Land, wenn ich so sagen darf. Ein Bollwerk gegen die orthodoxen Moskowiter, gegen die islamischen Türken. Muß es denn da tatsächlich gegen den Willen des Höchsten sein, daß auch Polen über jene hervorragenden Dreylingschen Kanonen …«
»Was wollt Ihr damit sagen?« fuhr Löffler auf.
»Der Monsignore will damit sagen«, erläuterte Zenon Querini mit Hohn, »daß sich unsere Mutter Kirche darauf einstellt, auf der richtigen Seite zu stehen, wenn es Tirol gelingen sollte, den Prozeß gegen Dreyling zu verpatzen.«
D’Angelis versuchte sich mühsam vom Stuhl hochzuwuchten.
»Bleibt sitzen! Um Gottes willen überanstrengt Euch nicht!« brachte Querini ihn auf den Stuhl zurück
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