Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
das Tuch mächtig über ihre wohlgeformten Brüste zu spannen beginnt.
»Ruht gut, Herr. Ich hoffe, mein Essen hat Euch geschmeckt?« fragt sie und betrachtet mich dabei lächelnd.
»Das Essen war vorzüglich! Antonia, du bist eine gute Köchin! Du wirst ja rot«, sage ich zu ihr. »Wirst du oft rot?«
»Nein … nie, das ist nur die Hitze in der Küche«, dabei nimmt sie schnell die Teller vom Tisch.
»Ein Mann muß sich glücklich schätzen, eine Frau wie dich zu haben.«
Sie schaut mich an und gibt mir ein leises Kichern als Antwort zurück. Mit einem Schmunzeln verschwindet sie in die Küche und schließt die Tür hinter sich.
Die Bank ist hart, aber ich befolge den Rat der Hausherrin und strecke mich auf ihr aus …
Wie ein Kanonenschuß schmettert die Haustür zu.
»Lene! Franz! Antonia! Wo steckt Ihr Faultiere?« brüllt eine unbeherrschte Stimme.
Frau Elisabeth hastet ins Zimmer, die schmalen Lippen zusammengebissen.
»Verdammtes Saupack! Wo ist mein Hauswams? Wo sind meine Pantoffel? Wo ist mein Bier?!«
»Er … «, murmelt Frau Elisabeth.
Schwere Schritte trampeln durch den Flur herauf.
Die Tür wird aufgerissen, schmettert gegen die Wand:
»Was ist das für eine Sau- und Luderwirtschaft in diesem Haus?«
Das Gesicht meines Stiefonkels ist fast so rot wie seine wild zerzausten Haare. Seine grünen Augen blitzen vor Wut. Wie ein angreifender Stier stürmt er ins Zimmer, baut sich vor Frau Elisabeth auf:
»Und da hockt sie, frißt und säuft den lieben langen Tag, und rundum geht alles kunterbunt!«
»Aber Stöffel …«
Mein Stiefonkel drischt die Faust auf den Tisch, daß Becher, Teller und Platten, die noch unabgeräumt herumstehen, tanzen:
»Ich habe dir hundertmal gesagt, du sollst mich nicht Stöffel nennen!«
»Ich wollt’ doch nur …«
»Was du wolltest, ist mir scheißegal, Weib! Was ich will, das ist ein ordentlich geführtes Haus! Daß ein Mensch da ist, wenn ich vom Gußhaus herüberkomme! Daß ich etwas Frisches zum Anziehen bekomme! Daß man mir einen Schluck Bier vergönnt! Daß die Dienstboten nicht irgendwo herumschlampen! Daß die Gesellen nicht davonlaufen! Daß ich wenigstens annähernd wie ein Mensch behandelt werde! Nicht nur wie ein Arbeitsvieh, das das Geld heranschaffen und in die Hirne unfähiger Gesellen so viel Wissen einprügeln muß, bis sie glauben genug zu können und abhauen wollen!«
Er fährt herum, stapft auf die Tür zu.
»Aber Stöffelchen – wir haben einen Gast …«
»Ersäuf ihn im Inn, oder bewirt ihn am Köpfplatzl – ich will nichts mehr hören!«
Der Hausherr stockt, als sei er gegen eine Mauer gerannt. Dreht sich um, starrt mich böse an …
Seine Mundwinkel zucken plötzlich nach oben. Er breitet die Arme weit aus:
»Adam! Seit dem Tod deines Vaters das einzige brauchbare Exemplar der Dreyling-Familie!«
Er stürmt auf mich los, zieht mich hoch, umarmt mich, schlägt mir auf den Rücken, daß die Rippen knacken:
»Adam! Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?« Er schiebt mich an den Armen ein Stück zurück: »Laß dich anschauen, Bub! - Heilige Barbara, du sieht ja aus wie ein Gespenst? Ist der Landrichter, der Gott-sei-bei-uns persönlich oder gar die Heilige Inquisition hinter dir her?«
»Unser Neffe …«
»Halt’s Maul, Weib! Adam, Bub, was auch geschehen sein mag, du hast die richtige Tür gefunden! Komm, steh nicht herum, setz dich, erzähl, erhol dich, iß, trink!« Ein kritischer Blick schweift über den Tisch:
»Bei den Gebeinen des heiligen Ambrosius, Weib, hast du nicht gesehen, daß der arme Bub völlig am Ende ist? Aber du schnatterst und vergißt, ihm dabei etwas anzubieten!«
»Aber ich hab’ doch …«
»Raus mit dir, Weib! Sorg dafür, daß die Lene, das Hurenstück, ihre Töpfe und Pfannen in Bewegung bringt, und der Franz, das faule Schwein, ein paar Humpen Bier und genug Flaschen Wein aus dem Keller heraufschafft, sonst zieht ich euch allen dreien das Fell über die Ohren, so wahr ich der beste Geschützgießer im Heiligen Römischen Reich und der bekannten Welt bin!«
Frau Elisabeth verschwindet fluchtartig.
Mein Stiefonkel läßt sich in einen mächtigen, gepolsterten Sessel fallen, legt mir schwer seine Hand auf den Arm:
»So, Bub, und nun erzähl, was passiert ist – oder wenn du dich erst erholen willst, dann hat das auch Zeit bis später.«
Nein, ich will erzählen. Je öfter ich erzähle, um so mehr Abstand bekomme ich von dem schrecklichen Geschehen. Mit den Worten, den Sätzen
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