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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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eigentliches Thema zurück. »Die rechte, die Seite mit den Frauen: ganz rechts seine erste Gattin, dann Frau Regina, beschirmt und beschützt von ihrer Namensheiligen – das bin ich Herrn Hans Christoph wohl schuldig -, davor meine Mutter und vor ihnen schließlich meine Schwestern. In der Mitte das Wappen mit dem Stechhelm und dem Steinbock als Helmzier. Auf der rechten Seite wir Söhne dem Alter nach: Ulrich, ich und Johann, und klein daneben Kaspar, noch wie ein Kind. Auch die Figur meines Vaters mit seinem Schutzpatron, dem heiligen Johannes dem Täufer, dahinter ist soweit fertig, nur mit seinem Gesicht bin ich noch nicht zufrieden. Als ich ihn unter die 24 Ältesten im oberen Teil des Epitaphs versetzte, gelang mir das Portrait auf Anhieb, aber diesmal …«
    Meister Colin klopft mir beruhigend auf den Arm:
    »Versucht es nicht mit Gewalt zu zwingen. Derlei Dinge lassen sich nicht zwingen, da muß man Geduld haben!«
    »Ich weiß, ich weiß!« stimme ich zu. »Aber ich will den Schlangen-Lehm und den Schlangen-Brand für die Bildtafel haben!«
    Colin grinst:
    »Das Feinste vom Feinen, das Herr Hans Christoph Löffler nur für seine geliebten Feldschlangen verwenden läßt.«
    Gerade die erste und zweite ganz dünne Lehmschicht, die auf die Wachsform aufgepinselt wird – und sie ist es doch, die letztlich über die Feinheit oder Grobheit des Gusses entscheidet -, ist für die Schlangen sanft wie Samt und glatt wie Atlas. Wenzel, der Altgeselle der Kanonenformer, und Veit, der Glockenformergeselle hätten mich darauf seinerzeit gar nicht aufmerksam machen müssen, die Unterschiede waren offensichtlich.
    »Der Lehm für die anderen Geschütze ist viel zu grob, der für die Glocken der reinste Sand und der für die Hafnerei Kies und Schotter! Veit und Melchior, die beiden zuständigen Formergesellen liegen nicht nur mir mit beständigen Klagen darüber im Ohr, sie haben sich sogar schon vor unseren Herrn und Meister gewagt!«
    »Und der hat sie zum Teufel gejagt und erklärt, daß das Viehvolk den Unterschied ja doch nicht merke. Stimmt doch, Dreyling?«
    »Ja, es stimmt. Und – bei Gott – es stimmt, daß es fast jede Woche Wutausbrüche des Herrn Hans Christoph in der Bild- und Hafengießerei gibt, weil Formen geplatzt, weil Güsse verdorben sind. Aber wie sollten sie nicht, wenn der dickere Mantellehm nur so kurz gestampft wird, daß er überall noch Klumpen hat, sich nicht gleichmäßig durchbrennen läßt, oder noch schlimmer, wenn der Brand der Formen durch minderwertiges Holz zu schwach oder ungleichmäßig ist?«
    Jetzt greife ich nach meinem Weinbecher, trinke einen langen Schluck. Ich sollte so nicht reden, nicht einmal vor Meister Alexander Colin.
    Als ich damals nach Büchsenhausen kam, in der Gießerei als rechte Hand meines Onkels zu arbeiten anfing, war ich, wie alle Welt, der Überzeugung, Hans Christoph sei der Gießer aller Gießer – und er ist es auch, vorausgesetzt, daß er es will. Aber dieses Wollen erstreckt sich allein auf seine Kanonen, und da in allererster Linie auf die Feldschlangen, jene langrohrigen, mittelschweren Geschütze von hoher Reichweite und Treffsicherheit, die, zugegeben, das beste sind, was je im Artilleriewesen entwickelt wurde. Auf allen anderen Gebieten, im Bild- und Glockenguß oder in der Herstellung von Gebrauchsgegenständen ist die Löfflersche Gießerei zwar immer noch besser als die meisten Konkurrenten, und doch betreibt sie der Meister, gemessen an seinem wahren Können, mit einer Nachlässigkeit, daß er seine Kunden regelrecht betrügt!
    Und ich mit ihm. Denn seit zwei Jahren bin ich auch offiziell sein Werkführer mit der Oberaufsicht über alle Form- und Gußarbeiten auf Büchsenhausen mit Ausnahme des Geschützgusses. Voriges Jahr habe ich zusammen mit Lienhard, unserem bärbeißigen Schmelzermeister, praktisch ohne irgendein Zutun von Hans Christoph die Glocken für die Kirchen von Flaas, Tisens und Serfaus gegossen. Jetzt sind die Glocken für die Spital- und die Jesuitenkirche zu Innsbruck in Arbeit, und wenn Onkel Hans Christoph sich einmal in der Woche nach dem Fortgang der Arbeit erkundigt, ist das viel …
    Mein Becher ist leer, und ich schenke nach.
    An jenem Abend im Mai 1574 hatte mir mein Stiefonkel versprochen, mich nach ihm zum wichtigsten Mann auf Büchsenhausen zu machen. Er hat auch Wort gehalten, in gewissem Sinne – wie er stets und überall sein Wort in gewissem Sinne zu halten pflegt; denn, sei es seine Natur oder Berechnung, er

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