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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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darauffolgenden Messe in der Kirchenbank rasch bemerkbar machen wird.
    Gleich sind wir an der Stelle angelangt, wo Frau Elisabeth regelmäßig trotz des dichten, aber heiß geliebten Gedränges um sie herum jeden Sonntag Gebäck aus vergangenen Tagen aus ihrem Korb verteilen läßt, ausgeführt durch Franzens vollendete Knechtschaft.
    »Das Triset und die Brandküchlein sind vom letzten Sonntag übriggeblieben …«, flüstert mir Antonia zu, die mir im selben Augenblick erwartungsvoll ins Wams zwickt.
    »Dafür wird sie gerechterweise die meisten Flöhe eintauschen …«, zwicke ich zurück.
    »Für ihre Heunele ist das Honiggebäck nicht gut genug. Ich darf es dafür nicht verwenden«, tuschelt sie vor mir und reibt im Gedränge ihr pralles rundes Hinterteil unbemerkt von allen anderen, aufreizend an meinem Vorderteil.
    O Antonia, mein wandelnder Lusttempel. Sündige Gedanken jagen sich hinter meiner Stirn.
    Das Triset obenaufgestapelt, verteilt Frau Elisabeth immer erst an die Ältesten in ihrer Nähe. Dabei hören wir im Gedränge ihre hohe keifende Stimme, die immer dann, wenn ein staubtrockenes Triset die gütige Hand verläßt, befehlsartig ertönt:
    »… vier Vaterunser, drei Ave Maria! … fünf Vaterunser, fünf Ave Maria! …«
    Den Grund für die unterschiedlich bemessenen Gebetsauflagen können wir uns nicht erklären, und er bleibt daher für ewiglich der Herrin Geheimnis. Danach drängt, stößt und flucht die Menge hinüber, rechts neben die Kirche, zum gemauerten Rundbogen dem Findlingstor, das gleichzeitig das Tor zum Gottesacker ist.
    Nun ist der Moment für unseren Franz gekommen, der als brutaler Raufbold als einziger in der Lage ist, durch Körpergröße und Kraft, aber manchmal auch durch wuchtige Faustschläge die Gasse zu bilden. Die Herrin liebt es, hinter seinem breiten Rücken einherzuschreiten.
    Dort an dem Torbogen steht zum Erbarmen gleich im Rudel die junge Schande aus unbekannten Lenden. Der Platz ist den Kleinsten der Armen zugewiesen, wo sie, sobald sie die Hand aufhalten können, für ihr Überleben betteln müssen. Wo Brot, Butter, Wurst und Fleisch nötig wären, kommen nun die ranzigen Brandküchlein mit großer Umsichtigkeit – damit keines zerbricht, genötigt mit den gleichen religiösen Gebetsanweisungen, durch die ungewaschenen Pratzen von Franz an den verlorenen Haufen ohne Hoffnung zur Verteilung.
    Das traurige Gesicht Katharinas angesichts des herrschenden Elends rund um St. Nikolaus, steht im Gegensatz zur freudestrahlenden Maske ihrer Mutter, die ihr Werk damit wieder einmal erledigt hat und unübersehbar auf die anerkennenden Blicke, Gesten und Worte der inzwischen eingetroffenen Nachbarn und Bürger hofft.
    Die Schar der sonntäglichen Kirchgänger formiert sich vor dem Portal:
    Die stille Übereinkunft sieht vor, daß erst die Mägde und Knechte die Kirche betreten und folgsam auf den hinteren Bänken ihren Platz suchen; auch Antonia und Franz schließen sich ihnen an. In der Herde, die sich jetzt vor dem kleinen Kirchenportal drängt, erkenne ich vertraute Gesichter, den Lohgerber, Faßbinder, Brauer, Fuhrmann und Drechsler. Dahinter den gichtigen Karrenschieber, daneben unseren Korbmacher mit seinem großen, schlanken Weib. Unverkennbar hintendrein mein Schneider Alois Herman aus dem Kerschental, begleitet von seinem Intimus, dem Bader Zankl vom J UNGBRUNNEN .

    Unvermittelt zögert der Block Menschen vor dem Portal. Alle drehen sich um, irritiert, aber auch zugleich außerordentlich neugierig. Der Schlag von Pferdehufen, die keine Eile verraten, hält uns vom Eintreten ab. Ein wenig Staub wirbelt auf …
    »Das kann nur der Alex sein, der kommt doch nie aus den Federn!« klärt einer der Umstehenden das Rätsel auf.
    »O Gott o Gott, der Weg wird immer länger«, höre ich den Ankömmling mit zittriger Stimme klagen. Dazu gibt er eine überraschende Figur ab: Lange dünne Haare, dünn sprießender Spitzbart, hohle Wangen, und mit wenig Fleisch auf den Rippen verkörpert er irgendeine seltene Vogelart. Müde und gekrümmt schleppt ihn der Wallach auf seinem Rücken daher. Seine gepolsterte Oberschenkelhose, in dieser Form im Inntal äußerst selten getragen, weitet seine Hüften kürbisgroß aus, was die Länge seiner engbestrumpften mageren Beine noch betont. Beim Anblick seiner Kleidung drängt sich mir der Vergleich mit einem Pfeil auf, der in der Mitte einen Apfel durchbohrt hat. Alexander Endorfer!
    Einige Male haben wir uns schon gesehen, doch in der

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