Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
Vom Netzwerk:
Sonntagsmesse in der St.-Nikolaus-Kirche noch nie. Mein Stiefonkel verlieh ihm den Zusatz Der Dritte, da er seit 1430 der dritte Träger des Namens Alexander in der ehemals berühmten Gießerfamilie Endorfer ist.
    »… Der Dritte ist noch nie ans Tageslicht getreten. Der hat doch schon ins Taufbecken gepinkelt, als er von seinem Vater darübergehalten wurde und den Auftrag erhielt, Ruhm und Ansehen seiner Familie wiederherzustellen. Sumpfpflanze, sage ich. Unreine Erzeugung – Der Dritte!«
    Frau Elisabeth spricht dagegen immer anerkennend und geheimnisvoll vom Herrn Kanzleischreiber, der wertvolle Bergwerksanteile besitzt.
    Sein Pferd findet beim Findlingstor seinen Standplatz.
    »Guten Morgen, die Herren!«
    Der Mann, der nun neben mir steht, richtet seinen starren Blick kurz auf mich, schließt die Augen, senkt den Kopf, als ob er das Verborgene, Unentdeckte aus seinem Kopf ans Licht befördern wollte.
    Das Rudel Menschen schiebt uns mit in das Kircheninnere; dort löst sich das lebendige Knäuel auf und bewegt sich auf die leeren Plätze zu. Mein Blick schweift über die linke Seite der Bankreihen hinweg und bleibt am Kopf von Frau Elisabeth hängen. Mit halber Drehung beobachtet sie aus dem Augenwinkel den Einzug der Männer. Es sind wahrhaftig lauernde Augen, die aus ihrem Gesicht blicken. Warum weicht sie heute von ihrem Ritual ab? Ausdruckslos und starr, mit maskenhafter Miene starrt sie sonst auf irgendeinen Punkt vorn im Altarraum. Ein schwach angedeutetes Nicken von Alex, in die Richtung meiner Herrin löst das Rätsel. Auf ihn hat sie gelauert, ihn, der schon über dem Taufbecken …
    Die Beobachtung veranlaßt mich, zwei Bänke hinter Endorfer meinen Platz zu suchen. So kann ich alles besser beobachten, was zwischen den beiden Bankreihen an Zeichen ausgetauscht wird. Vielleicht bekomme ich weitere Hinweise darüber geliefert, was die beiden auf einmal verbindet.
    Woher wußte Frau Elisabeth, daß Endorfer heute am Gottesdienst, wenn auch fast verspätet, teilnehmen würde? Rechts von Frau Elisabeth sitzt Katharina, die soeben einen kleinen, fast unbemerkten Stoß von ihrer Mutter in die Rippen bekommt. Mit Unwillen, durch ein kurzes Hin- und Herwippen ihrer Schultern zum Ausdruck gebracht, beantwortet sie den Rempler.
    Katharina …! Was behauptete Colin gestern?
    Katharina ist zu einer schwellenden reifen Frucht herangewachsen? Schau hin: »Kelchblätter, zarter Flaum, spitze Knospen, Vorfrühling, rosengleiche Blüte.«
    Wäre ich so von Sinnen? Würde ich es tatsächlich nicht bemerkt haben? Ihr schwarzes Gewand verhüllt den unberührten Garten. Ich sehe sie für einen Augenblick nackt – wie sie Colin gestern gezeichnet hat – auf meinem Leinentuch ausgebreitet, sehe das feine durchscheinende Adernetz unter der Haut ihrer Brüste, sehe, wie ein entflammter lüsterner Spatz in ihrem Schoß liegt … sehe, wie sie ihren Schoß öffnet.
    Ihre Natur ist manchmal kühl wie der Wind aus dem Norden, öfter aber wie ein Gewitter aus dem Süden. Dann strahlen aus ihren Augen Lichter verzehrenden Wahnsinns, grün und schamlos zugleich.
    Eigentlich kokettiert sie mit mir seit Monaten, und das nicht schlecht. Läge meine Hand nicht auf dem bloßen Narzissenkleid meiner Antonia, sie hätte gewiß mehr Aufmerksamkeit von mir erhalten.
    Endorfers Kopf steht wie festgeschraubt zu den Bänken der Weibsleut hin ausgerichtet. Seine Peilung steht genau nach Circius. Sie steht zu …
    Meine Blicke fliegen überprüfend hin und her.
    Nein!
    … Katharina!!
    Den Wachtelhahn zwei Bänke vor mir treibt wohl der Samendrang in die Kirchenbank von St. Nikolaus.
    Klar doch, Bocksgeruch! Angenehme Zukost, in Form von Bergwerksanteilen, zum Glücke Frau Elisabeths, eingebracht durch geplante Kopulation mit einem Ziegenbock.
    Bocksgeruch und Rosenduft. Warum muß er gerade diese Venus locken? Seine Flamme hat doch kaum noch Brennstoff. Der lockt doch nur noch die Toten nach oben.
    So soll es bleiben – ewiglich. Amen!
    »Vernehmet das Wort Gottes!« beginnt der Prediger. »Nur der Teufel legt mit Lust den Samen nieder in das Gefäß derer, die die Schenkel spreizen. Gesund, fein, fett und rot, die Haare locker glänzend, Brüste prall, mit gestärktem Untergewand rascheln und überhaupt alles dem Licht aussetzen, was den Mann locken soll, statt den Schleier zu tragen und sich schämen ob eurer Sünde, die ihr allein in die Welt getragen habt. Für den Mann wäre es daher gut, kein Weib zu berühren.«
    Ich traue meinen Ohren

Weitere Kostenlose Bücher