Der Meister und Margarita
nicht einmal denken! Man würde es sofort bemerken! Jeden müßt ihr liebgewinnen, Königin, jeden! Hundertfach wird die Ballkönigin dafür entschädigt werden. Und noch eines — überseht niemanden! Sei es ein Lächeln, wenn keine Zeit ist für ein paar Worte, sei es eine winzige Neigung des Kopfes! Gleichgültig was, jedoch auf keinen Fall Unaufmerksamkeit, sie würden hinsiechen . .."
Von Korowjew und Behemoth begleitet, schritt Margarita aus dem Raum mit dem Wasserbecken in völlige Dunkelheit. "Ich mach's", wisperte der Kater, "ich geb das Signal!" "Los!" antwortete Korowjew im Dunkel.
"Ball!!!" kreischte der Kater durchdringend; Margarita schrie auf und schloß für ein paar Momente die Augen. In Form von Licht brach der Ball über sie herein, und gleichzeitig kamen Geräusche und Gerüche. Margarita, von Korowjew am Arm geführt, sah sich in einem tropischen Urwald. Rotbrüstige und grüngeschwänzte Papageien hüpften und hangelten über Lianen und kreischten: "Ich bin entzückt!" Aber der Wald war bald zu Ende, und an Stelle der schwülen Dampfbadluft trat die Kühle eines Ballsaals mit Säulen aus glitzerndem gelblichem Stein. Der Saal war ebenso wie der Wald völlig menschenleer, nur bei den Säulen standen nackte Neger mit silberbrokatnen Stirnbinden. Ihre Gesichter wurden graubraun vor Erregung, als Margarita mit ihrer Suite, der sich auch Asasello angeschlossen hatte, in den Saal flog. Hier ließ Korowjew ihren Arm los und flüsterte: "Zu den Tulpen!"
Eine niedrige Wand aus weißen Tulpen wuchs vor Margarita empor, dahinter erblickte sie zahllose Leuchtglocken und davor die weißen Hemdbrüste und schwarzen Schultern befrackter Männer. Nun erkannte sie auch, woher die Ballklänge kamen. Trompetengeschmetter stürzte sich auf sie, dazwischen peitschte Geigengejauchze und umfloß ihren Körper wie Blut. Das Orchester, etwa hundertfünfzig Mann stark, spielte eine Polonaise.
Vor dem Orchester ragte ein Mann im Frack. Als er Margaritas ansichtig wurde, erbleichte er, lächelte und schwang beide Arme — das ganze Orchester erhob sich. Ohne auch nur für einen Moment die Musik zu unterbrechen, überschwemmte es stehend Margarita mit Klängen. Der Dirigent kehrte ihm den Rücken zu und machte Margarita mit ausgebreiteten Armen eine tiefe Verbeugung. Margarita winkte ihm lächelnd zu. "Nein, das genügt nicht", raunte Korowjew, "davon kann er die ganze.Nacht nicht schlafen. Ruft ihm zu: Ich grüße Euch, Walzerkönig!"
Margarita rief es und wunderte sich, daß ihre Stimme, volltönend wie eine Glocke, das Orchestergeheul übertönte. Der Mann zuckte beglückt zusammen und legte die Linke an die Brust, mit der Rechten, die den weißen Stab hielt, dirigierte er weiter..
"Immer noch zuwenig", raunte Korowjew, "seht nach links, zu den ersten Geigen, und nickt ihnen zu, so daß jeder denkt, Ihr hättet ihn erkannt. Hier sind nur weltberühmte Leute. Dem da nickt zu, am ersten Pult, das ist Vieuxtemps! So, sehr schön ... Jetzt weiter!"
"Wer ist der Dirigent?" fragte Margarita entschwebend. ,Johann Strauß!" schrie der Kater. "Und man soll mich im Urwald an einer Liane hängen, wenn schon jemals auf einem Ball ein solches Orchester gespielt hat! Ich habe es eingeladen! Und wohlgemerkt, nicht einer ist erkrankt oder hat abgesagt!" Im nächsten Saal gab es keine Säulen, dafür bestanden die Wände auf der einen Seite aus roten, rosa und milchweißen Rosen und auf der anderen aus japanischen gefüllten Kamelien. Dazwischen sprudelten zischend Fontänen, in drei Bassins schäumte Champagner, das erste Bassin war durchsichtig violett, das zweite rubinrot, das dritte kristallhell.. Bei den Bassins hasteten Neger mit purpurroten Stirnbinden und schöpften mit Silberkellen Champagner in flache Schalen. In der rosa Wand gab es eine Öffnung mit einer Estrade davor, auf der ein Mann in rotem Schwalbenschwanzfrack umherquirlte. Vor ihm lärmte unerträglich laut ein Jazztrompeter. Kaum hatte der Dirigent Margarita erblickt, da klappte er vor ihr zusammen, daß seine Hände den Fußboden streiften, richtete sich wieder auf und schrie durchdringend: "Haaalleluja!"
Er hieb sich mit flacher Hand aufs Knie — eins, dann über Kreuz aufs andere — zwei, entriß dem Schlagzeuger das Becken und schmetterte es gegen eine Säule.
Die entschwebende Margarita sah nur noch, wie der Jazzvirtuose, gegen die Polonaise ankämpfend, die Margarita in den Rücken blies, das, Becken seinen Musikern auf die Köpfe schlug, die sich in
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