Der Meister und Margarita
welcher Seite steht er?" ,Je länger ich mit Euch spreche", antwortete Voland liebenswürdig, "desto mehr wird mir bewußt, wie klug Ihr seid. Ich kann Euch beruhigen. Er ist unvoreingenommen wie kaum einer und empfindet für beide kämpfenden Seiten das gleiche. Darum sind die Resultate für beide Seiten stets die gleichen. — Abadonna!" rief er leise, und aus- der Wand trat eine magere Gestalt mit dunkler Brille. Diese Brille machte auf Margarita einen so starken Eindruck, daß sie mit leisem Aufschrei das Gesicht an Volands Bein barg.
"Hört auf!" rief Voland. "Was sind doch die heutigen Menschen nervös." Er holte aus und versetzte Margarita einen klatschenden Hieb auf den Rücken, daß ihr ganzer Körper widerhallte. "Ihr seht doch, daß er eine Brille trägt. Außerdem ist es noch niemals vorgekommen, und es wird auch niemals vorkommen, daß Abadonna vorzeitig bei jemand erscheint. Und schließlich bin ich ja auch noch da. Ihr seid doch mein Gast! Ich wollte ihn Euch nur mal zeigen." Abadonna stand unbeweglich.
"Kann er nicht mal für einen Moment die Brille abnehmen?" fragte Margarita und schmiegte sich an Voland; sie zitterte, jedoch bereits vor Neugier.
"Gerade das geht nicht", antwortete Voland ernst und winkte Abadonna, der alsbald verschwand. "Was willst du sagen, Asasello?"
"Messere", antwortete Asasello, "gestattet — wir haben zwei Unbefugte bei uns: die Schöne, die schnieft und bettelt, man möge sie bei ihrer Herrin lassen, und außerdem den, der mit ihr gekommen ist — Pardon — ihren Eber."
"Merkwürdig, wie sich die Schönen benehmen!" versetzte Voland.
"Das ist Natascha, Natascha!" rief Margarita.
"Nun, mag sie bei ihrer Herrin bleiben. Den Eber schickt in die Küche."
"Geschlachtet soll er werden!" schrie Margarita erschrocken. "Erbarmen Sie sich, Messere, das ist doch Nikolai Iwanowitsch vom Parterre. Da liegt ein Mißverständnis vor, sie hat ihn doch mit der Creme eingeschmiert. .."
"Aber erlaubt", sagte Voland, "wer zum Teufel will ihn denn schlachten und wozu? Er soll so lange in der Küche bei den Köchen sitzen, das ist alles. Ihr werdet zugeben, daß ich ihn schließlich nicht in den Ballsaal lassen kann." "Das wäre", fügte Asasello hinzu und meldete: "Mitternacht rückt näher, Messere."
"Ah, schön." Voland wandte sich an Margarita: "Also, ich bitte Euch! Im voraus meinen Dank. Laßt Euch nicht verblüffen und habt keine Angst. Trinkt nichts als Wasser, sonst werdet Ihr schwach und habt es schwer. Es ist Zeit!"
Margarita erhob sich vom Teppich, in der Tür erschien Korowjew.
23 Der große Ball beim Satan
Mitternacht rückte näher, man mußte eilen. Margarita nahm ihre Umgebung nur undeutlich wahr. Kerzen und ein Wasserbecken aus Halbedelsteinen blieben ihr in Erinnerung. Auf dem Grunde des Beckens stehend, wurde sie von Gella und der ihr assistierenden Natascha mit einer heißen, dicken roten Flüssigkeit begossen. Sie spürte einen salzigen Geschmack auf den Lippen und begriff, daß man sie mit Blut wusch. Nach dem blutigen Mantel legte man ihr einen anderen um — dickflüssig, durchsichtig und hellrosa, und ihr schwindelte der Kopf vom Duft des Rosenöls. Dann wurde sie auf ein Kristallager gebettet und mit großen grünen Blättern blank gerieben. Jetzt kam auch der Kater hereingestürmt und wollte helfen. Er hockte sich am Fußende nieder und rieb Margaritas Füße, mit einer Miene, als wienere er auf der Straße Stiefel. Margarita wußte nicht, wer ihr die Schuhe aus weißen Rosenblättern genäht hatte und wie es kam, daß sich die Goldspangen von selbst schlössen. Irgendeine Kraft zog sie hoch und stellte sie vor den Spiegel. In ihrem Haar funkelte eine diamantene Königskrone. Korowjew kam und hängte ihr das ovalgerahmte schwere Bild eines schwarzen Pudels an schwerer Kette vor die Brust. Dieser Schmuck belastete die Königin sehr. Die Kette scheuerte ihr sogleich den Hals wund, und das gewichtige Bild zog sie krumm. Aber es gab etwas, was sie für diese Unbequemlichkeiten entschädigte, und das war die Ehrerbietung, die Korowjew und Behemoth ihr bezeigten.
"Hilft nichts, hilft nichts!" murmelte Korowjew von der Tür her. "Hilft nichts, es muß sein, es muß sein ... Erlaubt mir, Königin, Euch einen letzten Rat zu geben. Die Gäste werden sehr verschieden sein, oh, sehr verschieden, aber keinem von ihnen, Königin Margot, dürft Ihr den Vorzug geben! Wenn Euch einer nicht gefällt... Ich weiß, Ihr werdet es nicht zeigen, nein, nein, aber Ihr dürft es
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