Der Meister und Margarita
im Frack eilte die Treppe herauf.
"Graf Robert", raunte Korowjew Margarita zu, "er ist noch immer interessant. Beachtet den drolligen Umstand, Königin, daß hier genau der umgekehrte Fall vorliegt: Er war der Geliebte einer Königin und vergiftete seine Frau." "Wir freuen uns, Graf!" schrie Behemoth.
Da kamen aus dem Kamin nacheinander drei Särge gepoltert, sie barsten und zerfielen, und es erschien ein Mann in schwarzem Umhang, dem der nächste, der dem Kamin entstieg, ein Messer in den Rücken stieß. Ein unterdrückter Schrei. Aus dem Kamin lief ein fast völlig zersetzter Leichnam. Margarita kniff die Augen zu, eine Hand hielt ihr einen Flakon mit weißem Riechsalz unter die Nase. Es schien die Hand von Natascha zu sein. Die Treppe bevölkerte sich. Jetzt waren bereits auf jeder Stufe, von weitem völlig gleich aussehend, befrackte Männer in Begleitung nackter Frauen, die sich nur durch die Farbe der Kopffedern und der Schuhe unterschieden. Jetzt näherte sich Margarita hinkend eine Dame mit nonnenfromm gesenkten Augen. Sie war mager und bescheiden, trug einen seltsamen hölzernen Stiefel am linken Fuß und einen breiten grünen Wickel um den Hals.
"Wer ist die ... Grüne dort?" fragte Margarita mechanisch. "Eine bezaÜbernde und sehr solide Dame", flüsterte Korowjew, "darf ich vorstellen: Signora Tofana. Sie erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit bei den jungen reizvollen Frauen von Neapel und Palermo, namentlich bei denen, die ihrer Ehemänner überdrüssig waren. Es kommt schließlich vor, Königin, daß eine Frau ihres Gatten überdrüssig wird ..."
"Allerdings", antwortete Margarita dumpf und lächelte gleichzeitig zwei Frackträgern zu, die sich nacheinander vor ihr verneigten und ihr das Knie und die Hand küßten. "Na seht Ihr", flüsterte Korowjew ihr ins Ohr und brachte es fertig, gleichzeitig einem Mann zuzurufen: "Herzog! Ein Glas Champagner? Ich bin entzückt...! Ja, also, Signora Tofana versetzte sich in die Lage dieser armen Frauen und verkaufte ihnen eine Flüssigkeit im Fläschchen. Die jeweilige Ehefrau goß die Flüssigkeit ihrem Gatten in die Suppe, der verspeiste sie, bedankte sich und fühlte sich großartig. Ein paar Stunden später freilich bekam er gewaltigen Durst, dann legte er sich zu Bett, und schon am nächsten Tag war die schöne Neapolitanerin, die ihrem Gatten die Suppe vorgesetzt hatte, so frei wie der Frühlingswind."
"Was hat sie denn da am Fuß?" fragte Margarita und drückte dabei unablässig die Hände von Gästen, die die humpelnde Signora Tofana überholt hatten. "Und warum hat sie den grünen Verband am Hals? Ist ihre Haut welk?"
"Ich bin entzückt, Fürst!" schrie Korowjew und flüsterte gleichzeitig Margarita zu: "Sie hat einen schönen Hals, aber im Kerker ist ihr etwas Unangenehmes widerfahren. Was sie am Fuß trägt, Königin, ist ein spanischer Stiefel, und mit dem Wickel hat es folgende Bewandtnis: Als die Kerkerknechte erfuhren, daß an die fünfhundert lästig gewordene Ehemänner Neapel und Palermo für immer verlassen hatten, erwürgten sie im Jähzorn die Tofana in ihrer Zelle."
"Ich bin so glücklich, o schwarze Königin, daß mir die hohe Ehre zuteil wird . ..", flüsterte Tofana züchtig wie eine Nonne und versuchte niederzuknien, doch der spanische Stiefel behinderte sie. Korowjew und Behemoth halfen ihr auf. "Ich freue mich", antwortete ihr Margarita, indes sie anderen die Hand reichte.
Jetzt floß schon ein ununterbrochener Gästestrom 'die Treppe herauf. Margarita sah nicht mehr, was in der Portierloge geschah. Mechanisch hob und senkte sie die Hand und lächelte den Gästen mit stets demselben Lächeln zu. Über dem Treppenpodest schwirrte bereits Stimmenlärm, und aus den Ballsälen flutete ein Meer von Musik.
"Das da ist eine langweilige Frau", sagte Korowjew laut, denn er wußte, daß man ihn im Stimmenlärm nicht mehr hören konnte, "sie geht abgöttisch gern auf Bälle und beklagt sich dauernd über ihr Tuch."
Margarita erkannte unter den heraufsteigenden Gästen die Frau, auf die Korowjew sie aufmerksam gemacht hatte. Es war eine junge Frau von vielleicht zwanzigjahren. Sie hatte eine ungewöhnlich schöne Figur, doch ihre Augen blickten unruhig und stechend.
"Was für ein Tuch?" fragte Margarita.
"Ihr ist eine Kammerzofe beigegeben", erklärte Korowjev), "die legt ihr schon seit dreißig Jahren Nacht für Nacht ein Taschentuch auf den Tisch. Sobald sie aufwacht, sieht sie das Tuch vor sich liegen. Sie hat es schon im Ofen
Weitere Kostenlose Bücher