Der Meister und Margarita
komischem Entsetzen duckten.
Endlich erreichten sie den Treppenabsatz, wo Margarita, das erkannte sie jetzt, im Dunkel von Korowjew mit dem Lämpchen empfangen worden war. Jetzt war das Podest von blendender Helle überflutet, die kristallenen Lichtertrauben entströmte. Margarita wurde auf einen bestimmten Platz gestellt, zu ihrer Linken befand sich ein niedriges Amethystsäulchen. "Darauf könnt Ihr die Hand stützen, wenn Ihr ermüdet", flüsterte Korowjew.
Ein Schwarzer schob ihr ein Kissen mit goldgesticktem Pudel unter die Füße, und sie stellte, fremden Händen gehorchend, das im Knie gebeugte rechte Bein darauf. Vorsichtig sah sie sich um. Neben ihr standen Korowjew und Asasello in Paradepose. Neben Asasello erblickte sie drei junge Männer, die dunkel an Abadonna erinnerten. Im Rücken spürte sie einen kühlen Luftzug. Sie wandte sich um und sah hinter sich zischend Wein aus der Marmorwand in ein Eisbassin sprudeln. An ihrem linken Fuß spürte sie etwas Warmes, Zottiges. Das war Behemoth.
Margarita stand hoch droben, und zu ihren Füßen führte die grandiose Treppe, mit einem Läufer bedeckt, in die Tiefe. Weit unten, so weit, als blickte sie verkehrt herum durch ein Fernglas, sah sie eine riesige Portierloge mit einem gewaltigen Kamin, in dessen kalten schwarzen Rachen bequem ein Fünftonner hätte hineinfahren können. Die Portierloge und die Treppe, deren greller Lichterglanz in die Augen schnitt, waren menschenleer. Die Trompetenklänge drangen nur noch von fern zu Margarita. Einige Minuten lang stand man unbeweglich. "Wo sind denn die Gäste?" fragte Margarita Korowjew. "Die kommen, Königin, die kommen, gleich kommen sie. Es wird kein Mangel an ihnen sein. Ich würde lieber Holz hacken, als sie hier auf dem Treppenpodest zu empfangen." "Holz hacken?" mengte sich der redselige Kater ein. "Ich würd sogar lieber als Straßenbahnschaffner gehen, und das ist wahrhaftig die mieseste Arbeit auf der Welt!"
"Alles muß rechtzeitig fertig sein, Königin", erklärte Korowjew, und sein Auge hinter dem verdorbenen Monokel funkelte, "nichts ist widerwärtiger, als wenn der erste Gast sich herumdrückt, nicht weiß, was er tun soll, und die ihm angetraute Megäre ihm flüsternd die Hölle heiß macht, daß sie zu früh gekommen sind. Solche Bälle sind einen Dreck wert, Königin." ,Ja, einen Dreck", bestätigte der Kater.
"Nur noch zehn Sekunden bis Mitternacht", sagte Korowjew, "es geht gleich los."
Diese zehn Sekunden kamen Margarita wie eine Ewigkeit vor. Sie waren wohl auch bereits verstrichen, doch nichts geschah. Aber plötzlich polterte es drunten im Kamin, und ein Galgen purzelte heraus, an dem ein halbverwester Leichnam baumelte. Der Leichnam riß sich vom Strick los, stürzte zu Boden und sprang als schwarzhaariger schöner Mann in Frack und Lackschuhen in die Höhe. Dann sauste ein halbvermoderter kleiner Sarg aus dem Kamin, der Deckel fiel ab, und ein zweiter Leichnam kam heraus. Der schöne Mann eilte galant hinzu, kauerte sich nieder und reichte ihm die Hand. Der zweite Leichnam verwandelte sich in ein zappeliges nacktes Frauenzimmer mit schwarzen Schuhen und schwarzen Federn auf dem Kopf, dann eilten beide, Mann und Frau, die Treppe herauf.
"Die ersten sind da!" rief Korowjew. "Monsieur Jacques nebst Gattin. Ich stelle Euch, Königin, einen der charmantesten Männer vor. Ein überzeugter Falschmünzer und Hochverräter, aber ein recht brauchbarer Alchimist. Er wurde berühmt", wisperte er Margarita ins Ohr, "weil er die Geliebte des Königs vergiftete. Und so eine Gelegenheit hat nicht jeder! Seht nur, wie schön er ist!"
Margarita, bleich geworden, riß den Mund auf. Sie blickte nach unten und sah den Galgen und den Sarg in einem Seitengang der Portierloge verschwinden.
"Ich bin entzückt!" brüllte der Kater Monsieur Jacques, der die Treppe heraufkam, direkt ins Gesicht.
Unterdes war aus dem Kamin ein kopfloses Skelett mit abgerissener Hand zu Boden geschlagen und hatte sich in einen befrackten Mann verwandelt.
Die Gattin des Monsieur Jacques kniete bereits vor Margarita nieder und küßte ihr, bleich vor Erregung, das Knie. "Königin", murmelte sie. "Die Königin ist entzückt!" schrie Korowjew.
"Königin", sagte leise der schöne Monsieur Jacques. "Wir sind entzückt", heulte der Kater.
Die jungen Leute, die Asasello begleiteten, lächelten leblos, aber freundlich und schoben Monsieur Jacques nebst Gattin hinüber zu den Negern, die Gläser mit Champagner bereithielten. Ein Mann
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