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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Arbat-Seitengasse im ersten Zimmer der Kellerwohnung, wo alles so war wie vor jener furchtbaren Herbstnacht des vergangenen Jahres, am samtbedeckten Tisch unter der Schirmlampe, neben der eine Vase mit Maiglöckchen stand. Leise weinte sie vor Glück und infolge der überstandenen Erschütterung. Das vom Feuer verstümmelte Heft lag vor ihr, und daneben ragte der Stapel unversehrter Hefte. Das Häuschen war still. Im Nebenzimmer auf dem Sofa lag, mit dem Krankenhauskittel zugedeckt, in tiefem Schlaf der Meister. Er atmete gleichmäßig und lautlos. Nachdem sich Margarita ausgeweint hatte, nahm sie die Hefte zur Hand und fand jene Sätze, die sie vor der Begegnung mit Asasello an der Kremlmauer überlesen hatte. Sie war noch nicht müde. Sie strich das Manuskript so zärtlich glatt, wie man eine Lieblingskatze streichelt, drehte es in den Händen, betrachtete es von allen Seiten, schlug bald das Titelblatt auf, bald den Schluß. Plötzlich kam ihr der entsetzliche Gedanke, daß alles ZaÜberei sei, daß die Hefte jetzt gleich verschwinden würden, daß sie im Schlafzimmer ihrer Villa erwachen und dann gehen und sich ertränken würde. Aber das war der letzte furchtbare Gedanke, Nachhall der überstandenen Leiden. Nichts verschwand, der allmächtige Voland war tatsächlich allmächtig, und Margarita konnte, solange sie mochte, und sei es bis zum Morgengrauen, raschelnd in den Heften blättern, sie betrachten und die Worte lesen:
    "Die Finsternis, die vom Mittelmeer herüberkam, deckte die dem Prokurator verhaßte Stadt zu . .."
25 Wie der Prokurator Judas aus Kirjath zu retten versuchte
    Die Finsternis, die vom Mittelmeer herüberkam, deckte die dem Prokurator verhaßte Stadt zu. Verschwunden waren die Hängebrücken, die den Tempel mit der schrecklichen Burg Antonia verbanden, vom Himmel senkte sich ein Abgrund hernieder und verhüllte die geflügelten Götter über der Rennbahn, den Palast der Hasmonäer mit seinen Schießscharten, die Basare, die Karawansereien, die Gassen, die Teiche ... Verschwunden war Jerschalaim, die große Stadt, als hätte sie nie existiert. Alles hatte die Finsternis verschlungen, und sie schreckte alles Lebendige in Jerschalaim und seiner Umgebung. Eine seltsame dunkle Wolke trug es vom Meer heran gegen Ende dieses Tages, des vierzehnten Tages im Frühlingsmonat Nissan. Schon hatte die Wolke ihren Bauch über den Schädelberg gewälzt, wo die Henker rasch die Verurteilten erstachen, schon wälzte sie sich über den Tempeln von Jerschalaim, kroch in rauchigen Strömen den Berg hinab und überflutete die Unterstadt. Sie floß zu den kleinen Fenstern hinein und jagte die Menschen aus den krummen Straßen in die Häuser. Sie hatte es nicht eilig, ihre Nässe abzugeben, und gab vorderhand nur Licht ab. Jedesmal, wenn Feuer das schwarze Gebräu zerriß, stieß aus der brodelnden Finsternis der mächtige Block des Tempels mit dem gleißenden geschuppten Dach zum Himmel empor. Aber er erlosch sofort wieder, und der Tempel sank zurück in die dunkle Bodenlosigkeit. Ein paarmal wuchs er aus ihr hervor und verschwand wieder, und sein Verschwinden war jedesmal von Katastrophendonner begleitet.
    Andere flackrige Lichtentladungen entrissen der Bodenlosigkeit den Palast Herodes' des Großen, der dem Tempel gegenüber auf dem Westhügel stand, und die schrecklichen blicklosen Goldstatuen flogen hinauf zum schwarzen Himmel, ihm die Arme entgegenstreckend. Doch wieder verbarg sich das Himmelsfeuer, und die schweren Donnerschläge jagten die goldenen Götter zurück in die Finsternis.
    Der Platzregen brach ganz plötzlich hernieder, und im selben Moment schwoll das Gewitter zum Orkan. Da, wo mittags nahe der marmornen Gartenbank der Prokurator mit dem Hohenpriester gesprochen hatte, knickte ein kanonenschußartiger Knall eine Zypresse wie einen Schilfhalm. Zusammen mit Wasserstaub und Hagel trieb der Sturm abgerissene Rosen, Magnolienblätter, Zweige und Sand auf den Balkon unter der Kolonnade. Der Orkan verwüstete den Garten.
    Zu diesem Zeitpunkt befand sich unter der Kolonnade nur ein Mensch, und dieser Mensch war der Prokurator.
    Jetzt saß er nicht im Sessel, sondern lag neben dem mit Speisen und Weinkrügen besetzten niedrigen Tischchen auf einem Ruhebett. Das zweite Ruhebett auf der anderen Tischseite war leer. Zu Füßen des Prokurators breitete sich eine blutrote Lache, in der die Scherben eines Kruges schwammen. Der Diener, der vor dem Gewitter den Tisch gedeckt hatte, war unterm Blick des

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