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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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erblickten sie vor der Tür einen Mann mit Schiebermütze und Stiefeln, der auf der Vortreppe in todesähnlichem Schlaf lag, und außerdem einen großen schwarzen Wagen mit gelöschten Lichtern. Hinter der Windschutzscheibe zeichnete sich undeutlich die Silhouette der Krähe ab.
    Schon wollte man einsteigen, da rief Margarita betrübt: "O Gott, ich hab das Hufeisen verloren!"
    "Steigen Sie ein", sagte Asasello, "und warten Sie auf mich. Ich komme gleich wieder, will nur mal nachsehen, was da passiert ist." Und er ging zurück ins Treppenhaus.
    Folgendes war passiert: Einige Zeit vor dem Aufbruch Margaritas und des Meisters und ihrer Begleiter hatte eine Treppe tiefer ein mageres Weiblein mit einer Kanne und einer Einholetasche die Wohnung Nr. 48 verlassen, die unter der Juwelierswitwenwohnung lag. Es war dieselbe Annuschka, die am Mittwoch zu Berlioz' Unglück am Drehkreuz das Sonnenblumenöl verschüttet hatte.
    Niemand wußte, und niemand wird je erfahren, was diese Frau in Moskau trieb und wovon sie lebte. Von ihr war nur bekannt, daß sie täglich mit der Kanne oder mit Kanne und Einholetasche entweder im Olladen oder auf dem Markt anzutreffen war, entweder im Treppenhaus oder am Haustor, meistens aber in der Küche der Wohnung Nr. 48, wo sie hauste. Außerdem und vor allem war bekannt, daß, wo immer sie sich zeigte, wo immer sie auftauchte, alsbald ein Skandal begann, so daß sie den Spitznamen "die Pest" führte.
    Die Pest-Annuschka pflegte aus irgendwelchen Gründen sehr früh aufzustehen, und heute hatte es sie schon kurz nach Mitternacht aus dem Bett getrieben. Der Schlüssel drehte sich im Schloß, Annuschkas Nase schob sich hinaus, dann folgte die ganze Annuschka, hinter ihr schlug die Tür zu, und eben wollte sie sich auf die. Socken machen, als eine Treppe höher die Tür klappte, jemand heruntergesaust kam, gegen Annuschka prallte und sie so heftig zur Seite schleuderte, daß sie mit dem Hinterkopf schmerzhaft gegen die Wand knallte. "Wo schleppt denn dich der Teufel hin, daß du nur in Unterhosen hier rumrennst?" kreischte sie und rieb sich den Kopf. Der Mann, der nur mit Unterwäsche bekleidet war, einen Koffer in der Hand und eine Schiebermütze auf dem Kopf hatte, antwortete mit geschlossenen Augen und mit seltsamer schläfriger Stimme:
    "Der Badeofen ... die Farbe ... Was allein das Tünchen gekostet hat..." Er brach in Tränen aus und kläffte: "Raus!" Er stürzte davon, aber nicht die Treppe hinunter, sondern wieder hinauf bis zu dem Treppenabsatz mit der vom Fuß des Planungsökonomen zerstoßenen Scheibe, und durch dieses Fenster flog er, die Beine voran, hinaus. Annuschka vergaß ihren Hinterkopf, stieß einen Schrei aus und sauste ebenfalls zum Fenster. Sie legte sich bäuchlings auf den Treppenabsatz und steckte den Kopf hinaus, in der Erwartung, auf dem Asphalt, von der Hoflaterne beleuchtet, den zerschmetterten Mann mit dem Koffer zu sehen. Aber nichts dergleichen.
    Ihr blieb nur übrig, anzunehmen, daß das sonderbare schläfrige Individuum wie ein Vogel davongeflogen und spurlos verschwunden sei. Sie bekreuzigte sich und dachte: Wirklich eine feine Wohnung, die Nummer fünfzig! Nicht umsonst reden die Leute . . . Ach, ist das eine Wohnung!
    Sie hatte das noch nicht zu Ende gedacht, als oben abermals die Tür klappte und jemand heruntergelaufen kam. Annuschka quetschte sich an die Wand und erblickte einen gutsituierten Bürger mit Kinnbart und, wie ihr schien, ferkelartigem Gesicht, der an ihr vorbeischlüpfte und das Haus auf demselben Weg verließ wie der erste, ohne auf dem Asphalt zu zerschmettern. Jetzt vergaß Annuschka sogar schon den Zweck ihres Ausgangs und blieb auf der Treppe stehen, sich bekreuzigend, ächzend und mit sich selbst redend.
    Der dritte war ohne Bart, hatte ein rundes rasiertes Gesicht, trug eine Russenbluse und flatterte ebenfalls durchs Fenster davon. Zu Annuschkas Ehre sei gesagt, daß sie wißbegierig war und den Entschluß faßte, weiter zu warten, ob sich nicht noch mehr Wunder ereigneten. Wieder ging oben die Tür, und diesmal kam eine ganze Gesellschaft die Treppe herunter, aber nicht im Laufschritt, sondern so, wie alle Menschen gehen. Annuschka sprang vom Fenster zurück, flitzte hinunter zu ihrer Tür, öffnete sie geschwind, versteckte sich dahinter, und im Türspalt glänzte ihr vor Neugier fast irres Auge.
    Ein Mann mit schwarzem Mützchen und einer Art Kittel, der irgendwie krank aussah, vielleicht auch nicht krank, aber seltsam bleich und

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