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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Prokurators verwirrt geworden, und es hatte ihn bestürzt, daß er jenen nicht zufriedenstellte. Argerlich hatte der Prokurator den Krug aufs Mosaikpflaster geschmettert und gesagt: "Warum siehst du mir nicht ins Gesicht, wenn du zureichst? Hast du etwas gestohlen?"
    Das schwarze Gesicht des Afrikaners war grau geworden, in seinen Augen blinkte tödliche Angst, er zitterte und hätte beinahe einen zweiten Krug zerschlagen, doch der Zorn des Prokurators verflog ebenso rasch, wie er gekommen war. Der Afrikaner wollte hastig die Splitter auflesen und die Lache wegwischen, aber der Prokurator winkte ihn weg, und da lief der Sklave davon. Die Pfütze jedoch war geblieben.
    Während des Orkans verbarg sich der Afrikaner neben einer Nische, in der die Statue einer weißen nackten Frau mit geneigtem Kopf stand. Er hatte Angst, dem Prokurator zur Unzeit vor die Augen zu kommen, und fürchtete zugleich, den Moment zu verpassen, da dieser ihn vielleicht rief.
    Der im Gewitterdämmer ruhende Prokurator goß Wein in die Schale, trank in langen Zügen, griff von Zeit zu Zeit nach dem Brot, brach es, schluckte es in kleinen Stücken, schlürfte ab und zu eine Auster, kaute Zitronen und trank wieder. Ohne das Brüllen des Wassers, ohne die Donnerschläge, die das Dach des Palastes platt zu drücken drohten, ohne das Prasseln des Hagels auf die Balkonstufen hätte man den Prokurator im Selbstgespräch murmeln hören können. Und hätte sich das trügerische Flackern des Himmelsfeuers in stetes Licht verwandelt, so hätte ein Beobachter sehen können, daß auf dem Gesicht des Prokurators mit den von schlaflosen Nächten und vom Wein entzündeten Augen Ungeduld lag und er nicht nur die beiden weißen Rosen ansah, die in der roten Lache ertrunken waren, sondern fortwährend das Gesicht dem Garten zuwandte, entgegen dem Wasserstaub und dem Sand, und daß er jemanden erwartete, ungeduldig erwartete.
    Einige Zeit verging, und der Wasserschleier vor den Augen des Prokurator;; wurde dünner. So wütend der Orkan auch getobt hatte, jetzt wurde er schwächer. Keine Äste mehr brachen knak-kend ab und stürzten nieder. Die Donnerschläge und die Blitze wurden seltener. Über Jerschalaim schwebte nicht mehr die weißgesäumte violette Decke, sondern eine gewöhnliche graue Nachhutwolke. Das Gewitter war zum Toten Meer hin abgezogen.
    Jetzt konnte man schon das Prasseln des Regens vom Rauschen des Wassers unterscheiden, das durch die Rinnen und über die Stufen jener Treppe floß, die der Prokurator am Tage hinabgestiegen war, um auf dem Platz das Urteil zu verkünden. Endlich plätscherte auch wieder der bislang übertönte Springbrunnen. Es wurde hell. Im grauen Schleier, der gen Osten wich, zeigten sich blaue Fenster.
    Da hörte der Prokurator aus der Ferne durch das Tröpfeln des nun vollends geschwächten Regens schwache Hornsignale und das Getrappel etlicher hundert Hufe. Er kam in Bewegung, und sein Gesicht belebte sich. Die Ala kehrte vom Schädelberg zurück. Dem Klang nach ritt sie eben über den Platz, auf dem das Urteil verkündet worden war.
    Endlich hörte der Prokurator die lang erwarteten klatschenden Schritte auf der Treppe, die zur oberen Gartenterrasse vor dem Balkon führte. Er reckte den Hals, und seine Augen glänzten vor Freude.
    Zwischen den beiden Marmorlöwen zeigte sich zuerst der Kopf in der Kapuze, dann der völlig durchnäßte Mann mit am Körper klebendem Umhang. Es war der Mann, der vor der Urteilsverkündung im verdunkelten Palastgemach mit dem Prokurator geflüstert und während der Hinrichtung auf dem dreibeinigen Hocker gesessen und mit dem Stöckchen gespielt hatte.
    Ohne der Pfützen zu achten, überquerte der Mann mit der Kapuze die Gartenterrasse, betrat den Mosaikfußboden des Balkons, hob die Hand und sagte mit angenehmer hoher Stimme auf lateinisch:
    "Dem Prokurator Gesundheit und Freude!"
    "O ihr Götter!" rief Pilatus aus. "Sie haben ja keinen trockenen Faden am Leib! Das war ein Orkan, was? Seien Sie so gut, kleiden Sie sich rasch um und kommen dann ungesäumt zu mir." Der Ankömmling schlug die Kapuze zurück und entblößte den nassen Kopf mit an der Stirn klebenden Haaren. Sein glattrasiertes Gesicht zeigte ein höfliches Lächeln. Er lehnte es ab, sich umzukleiden, und versicherte, das bißchen Regen könne ihm nichts anhaben.
    "Ich will nichts hören", entgegnete Pilatus und klatschte in die Hände. Dämit rief er die Diener herbei, die sich vor ihm versteckt hatten. Er befahl ihnen, für den

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