Der Meister und Margarita
Gold mit Brillanten?" fragte man Annuschka.
"Ich werd doch Brillanten kennen", antwortete Annuschka. "Und er hat Ihnen Zehnrubelscheine gegeben?" "Ich werd doch Zehnrubelscheine kennen", antwortete Annuschka.
"So, und wann haben die sich in Dollars verwandelt?" "Ich weiß nicht, wie Dollars aussehen, ich hab noch nie Dollars gesehen!" kreischte Annuschka. "Ich bin im Recht! Man hat mir eine Belohnung gegeben, dafür will ich mir Stoff kaufen." Und sie schwatzte allen möglichen Unsinn daher, daß sie nichts dafür könne, wenn die Hausverwaltung im vierten Stock Teufelsspuk dulde, der einem das Leben vergälle. Einer der Kriminalisten gebot Annuschka mit dem Federhalter Schweigen, denn alle hatten sie gründlich satt, dann schrieb er ihr einen Passierschein auf grünes Papier, worauf sie zur allgemeinen Erleichterung aus dem Gebäude verschwand. Nach ihr kam noch eine Reihe von Personen, unter ihnen Nikolai Iwanowitsch, der soeben infolge der Dummheit seiner eifersüchtigen Eheliebsten festgenommen worden war; sie hatte ihren Mann am Morgen bei der Miliz als vermißt gemeldet. Nikolai Iwanowitsch verblüffte die Kriminalisten nicht mehr sehr, als er die Teufelsbescheinigung auf den Tisch legte, nach welcher er die fragliche Zeit auf dem Ball beim Satan verbracht habe. Bei seiner Schilderung, wie er Margarita Nikolajewnas nacktes Hausmädchen durch die Luft zu allen möglichen Teufeln getragen habe, zu einem Fluß, wo sie badete, und wie vorher Margarita Nikolajewna nackt am Fenster erschienen war, wich er ein wenig von der Wahrheit ab. So hielt er es beispielsweise für untunlich, zu erwähnen, daß er mit dem Hemdchen in der Hand das Schlafzimmer betreten und Natascha Venus genannt hatte. Bei ihm kam es so heraus, daß Natascha aus dem Fenster geflogen sei, ihn bestiegen habe und auf ihm aus Moskau fortgeritten sei...
"Ich mußte mich der Gewalt fügen", erzählte Nikolai Iwano-witsch und schloß seine Auslassungen mit der Bitte, seiner Gattin kein Wort von alldem mitzuteilen. Was ihm auch zugesagt wurde.
Nikolai Iwanowitschs Aussage ermöglichte die Feststellung, daß Margarita Nikolajewna samt ihrem Hausmädchen Natascha spurlos verschwunden war. Es wurden Maßnahmen eingeleitet, sie zu suchen.
Solch unablässige Untersuchungstätigkeit kennzeichnete den Samstagmorgen. In der Stadt verbreiteten sich unterdes die unmöglichsten Gerüchte. Ein winziges Wahrheitskernchen war mit üppigem Geflunker umwuchert. Es hieß, im Variete habe es eine Vorstellung gegeben, nach welcher alle zweitausend Zuschauer, so wie Gott sie geschaffen, auf die Straße gelaufen seien, in der Sadowaja habe man eine verhexte Falschgelddruckerei ausgehoben, eine Bande habe fünf führende Persönlichkeiten der heiteren Muse verschleppt, aber die Miliz habe sie alle wiedergefunden, und noch vieles in der Art, was ich gar nicht wiederholen möchte.
Mittlerweile war es fast Mittag geworden, und nun klingelte bei der Untersuchungsbehörde das Telefon. Aus der Sadowaja wurde mitgeteilt, die verhexte Wohnung gebe wieder Lebenszeichen. Die Fenster seien von innen geöffnet worden, Gesang und Klaviermusik klängen heraus, und im Fenster habe man einen schwarzen Kater gesichtet, der auf dem Fensterbrett saß und sich in der Sonne wärmte.
Gegen vier Uhr nachmittags dieses heißen Tages stiegen zahlreiche Männer in'Zivil aus drei Autos, die in einiger Entfernung von dem Haus Sadowaja Nr. 302 b gehalten hatten. Sie teilten sich in zwei Gruppen, von denen die eine durch den Torweg und den Hof direkt zum sechsten Aufgang schritt; die andere öffnete das für gewöhnlich verschlossene Türchen zum Hinteraufgang, und beide Gruppen stiegen auf verschiedenen Treppen zur Wohnung Nr. 50 hinauf.
Währenddessen saßen Korowjew und Asasello, Korowjew nicht mehr im festlichen Frack, sondern in seiner gewöhnlichen Kleidung, im Eßzimmer der Wohnung und beendeten ihr Frühstück.
Voland hielt sich nach seiner Gewohnheit im Schlafzimmer auf, und der Kater war nicht zu sehen. Aber nach dem Kasserollengeklirr aus der Küche zu urteilen, trieb er dort seine gewohnten Possen.
"Was sind denn das für Schritte auf der Treppe?" fragte Korowjew und rührte mit dem Löffel in der Kaffeetasse. "Sie kommen uns verhaften", antwortete Asasello und kippte ein Gläschen Kognak.
"Na, denn man los", antwortete Korowjew darauf. Die Männer auf der Vordertreppe hatten unterdes den zweiten Treppenabsatz erreicht. Hier machten sich zwei Rohrleger an der Dampfheizung zu
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