Der Meister und Margarita
Vielleicht kommen sie im Gespräch überein." Voland schwenkte die Hand gegen Jerschalaim, und die Stadt verschwand.
"Und auch dort", Voland zeigte nach hinten, "was wollt Ihr in dem kleinen Keller?" Die im Glas gebrochene Sonne erlosch. "Was soll das?" fuhr Voland sanft und überzeugend fort. "O dreimal romantischer Meister, wollt Ihr etwa nicht am Tag mit Eurer Gefährtin unter blühenden Kirschbäumen wandeln und am Abend Musik von SchÜbert hören? Wird es Euch etwa nicht Freude machen, bei Kerzenlicht mit einer Gänsefeder zu schreiben? Möchtet Ihr etwa nicht wie Faust über der Retorte hocken, hoffend, daß es Euch gelinge, einen neuen Homunkulus zu formen? Dort müßt Ihr hin! Dort erwarten Euch ein Haus und ein alter Diener, die Kerzen brennen schon, und bald werden sie erlöschen, denn Ihr werdet alsbald den Morgen begrüßen. Diese Straße gehet, Meister! Lebt wohl, für mich ist es Zeit!" "Lebt wohl!" riefen Margarita und der Meister wie mit einer Stimme. Da stürzte sich der schwarze Voland hinab in den wegelosen Abgrund, und geräuschvoll folgten ihm seine Begleiter. Felsen, Plateau, Mondstraße, Jerschalaim waren nicht mehr da. Auch die Rappen waren verschwunden. Der Meister und Margarita erblickten den verheißenen Morgen. Er begann unmittelbar nach dem mitternächtlichen Mond. Der Meister schritt mit seiner Gefährtin im Glanz der ersten Morgenstrahlen über eine bemooste Steinbrücke. Der Bach blieb hinter den treuen Liebenden zurück, und sie folgten einem Sandweg. "Horch, die Stille", sagte Margarita zum Meister, und der Sand knirschte unter ihren bloßen Füßen, "horch und genieße das, was dir nie im Leben gegeben war — die Lautlosigkeit. Schau, dort vorn ist dein ewiges Haus, das du zur Belohnung erhalten hast. Ich sehe schon das venezianische Fenster und die rankenden Reben, die bis zum Dach wachsen. Das ist dein Haus, dein ewiges Haus. Ich weiß, abends werden die zu dir kommen, die du liebst, für die du dich interessierst und die dir keine Unruhe, bringen. Sie werden dir vorspielen, sie werden dir vorsingen, und du wirst sehen, was für Licht im Zimmer ist, wenn die Kerzen brennen. Du wirst einschlafen, die unvermeidliche speckige Nachtmütze auf dem Kopf, wirst einschlafen mit einem Lächeln auf den Lippen. Der Schlaf wird dich kräftigen, und du wirst weise urteilen. Aber wegjagen kannst du mich nicht mehr. Ich werde deinen Schlaf behüten."
So sprach Margarita, indes sie mit dem Meister auf ihr ewiges Haus zuging, und es dünkte ihn, als strömten ihre Worte genauso dahin, wie der zurückgebliebene Bach strömte und raunte, und seine Erinnerung, unruhig, von Nadeln durchstochen, begann zu erlöschen. Jemand hatte ihn in die Freiheit entlassen, so wie er selbst eben erst den von ihm geschaffenen Helden entlassen hatte. Dieser Held war ins Bodenlose gegangen, und er war gegangen ohne Wiederkehr, der in der Nacht zum Sonntag freigegebene Sohn des Königs und Sterndeuters, der grausame fünfte Prokurator von Judäa, der Ritter Pontius Pilatus.
Epilog
Und dennoch — was geschah weiter in Moskau, nachdem am Samstag abend bei Sonnenuntergang Voland die Hauptstadt verlassen hatte und samt seinem Gefolge von den Sperlingsbergen verschwunden war?
Daß noch lange Zeit die unwahrscheinlichsten Gerüchte fieberhaft durch die Hauptstadt schwirrten und sich sehr schnell bis in die fernsten und ödesten Provinzen ausbreiteten, bedarf keiner Erwähnung. Es ekelt einen an, die Gerüchte wiederzugeben.
Als der Autor dieser wahren Zeilen nach Feodossija fuhr, hörte er selber im Zug jemand erzählen, in Moskau seien zweitausend Menschen im wahrsten Sinne des Wortes splitternackt aus dem Theater gekommen und in dieser Verfassung mit Taxis nach Hause gefahren.
Vom "Bösen" flüsterte es in den Schlangen vor den Milchläden, in Straßenbahnen, Kaufläden, Wohnungen, Gemeinschaftsküchen, in Vorort- und Fernzügen, auf Bahnhöfen und Zwischenstationen, in Datschen und Strandbädern. Die Gebildeten und Kultivierten beteiligten sich selbstverständlich nicht an dem Gerede über den Bösen, der die Hauptstadt besucht hätte, sie lachten darüber und suchten die Schwätzer zur Vernunft zu bringen. Aber Tatsache, wie es heißt, bleibt Tatsache, und die kann man nicht einfach wegwischen, denn irgendwer hatte die Hauptstadt heimgesucht, und die verkohlten Reste des Gribojedow wie auch viele andere Dinge bestätigten das gar zu beweiskräftig.
Die kultivierten Leute stellten sich auf den Standpunkt der
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