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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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zeigen. Fast zweitausend Jahre schon sitzt er auf diesem Plateau und schläft, doch wenn Vollmond ist, quält ihn, wie Ihr seht, die Schlaflosigkeit, und nicht nur ihn, sondern auch seinen treuen Wächter, den Hund. Wenn es stimmt, daß Feigheit die schwerste Sünde ist, so ist der Hund ihrer gewiß nicht schuldig. Das einzige, was das mutige Tier fürchtete, waren Gewitter. Nun ja, wer liebt, muß das Los dessen teilen, den er liebt."
    "Was sagt er?" fragte Margarita, und über ihr ruhiges Gesicht zog sich ein Schleier von Mitleid.
    "Er sagt immer ein und dasselbe", antwortete Voland. "Er sagt, daß er auch bei Mondschein keine Ruhe finde und ein böses Amt bekleide. Das sagt er stets, wenn er nicht schläft. Schläft er aber, so sieht er immer ein und dasselbe, eine Mondstraße, und er möchte sie entlanggehen und mit dem Arrestanten Ha-Nozri sprechen, weil er, wie er versichert, damals etwas nicht zu Ende gesagt habe, vor langer Zeit, am Vierzehnten des Frühlingsmonats Nissan. Leider kann er diesen Weg nicht gehen, und zu ihm kommt niemand. Somit bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit sich selbst zu sprechen. Der Mensch bedarf jedoch der Abwechslung, und so fügt er seinen Worten über den Mond nicht selten hinzu, mehr als alles auf der Welt hasse er seine Unsterblichkeit und seinen beispiellosen Ruhm. Er versichert, er würde gern mit dem zerlumpten Vagabunden Levi Matthäus tauschen."
    "Zwölftausend Monde für den einen Mond damals, ist das nicht zuviel?" fragte Margarita.
    "Wiederholt sich die Geschichte mit Frida?" sagte Voland. "Aber hier braucht Ihr Euch nicht zu beunruhigen, Margarita. Alles wird richtig werden, darauf beruht die Welt." "Geben Sie ihn frei!" schrie Margarita plötzlich so durchdringend wie damals, als sie eine Hexe war, und von ihrem Schrei brach ein Stein in den Bergen und kollerte über die Vorsprünge in den Abgrund, und die Berge hallten wider von seinem Gepolter. Aber Margarita hätte nicht zu sagen vermocht, ob das Poltern von dem Fall kam oder vom Gelächter des Satans. Wie dem auch war, Voland sah Margarita lachend an und sagte: "Schreit nicht in den Bergen, er ist Steinschläge gewohnt, sie beunruhigen ihn nicht. Ihr braucht nicht für ihn zu bitten, Margarita, denn für ihn hat schon jener gebeten, mit dem er so gern sprechen möchte." Voland wandte sich wieder dem Meister zu und sagte: "So, nun könnt Ihr Euren Roman mit einem einzigen Satz beenden!"
    Darauf schien der Meister gewartet zu haben, als er reglos dastand und auf den sitzenden Prokurator blickte. Er wölbte die Hände zum Sprachrohr und schrie so laut, daß das Echo über die menschenleeren und unbewaldeten Berge hüpfte: "Du bist frei! Du bist frei! Er wartet auf dich!"
    Die Berge verwandelten die Stimme des Meisters in einen Donner, der sie zerstörte. Die verfluchten Felswände stürzten ein, nur das Gipfelplateau mit dem steinernen Sessel blieb. Über dem schwarzen Abgrund, in dem sie verschwunden waren, leuchtete eine unermeßlich große Stadt, beherrscht von hohen funkelnden Götzen, die den in vielen tausend Monden üppig gewachsenen Garten überragten. Direkt zum Garten führte die vom Prokurator lang ersehnte Mondstraße, auf die als erster der spitzohrige Hund zulief. Der Mann mit dem blutrot gefütterten weißen Umhang erhob sich vom Sessel und schrie mit heiserer, brüchiger Stimme. Es war nicht zu erkennen, ob er weinte oder lachte, noch was er schrie. Man sah ihn nur, seinem treuen Wächter folgend, ebenfalls zu der Mondstraße laufen. "Soll ich ihm nach?" fragte unruhig der Meister und rührte die Zügel.
    "Nein", antwortete Voland, "wozu hinter etwas herjagen, was schon zu Ende ist?"
    "Dann also dorthin?" fragte der Meister, wandte sich um und wies auf die unlängst verlassene Stadt mit den Lebkuchentürmen des Klosters und der im Glas zersplitterten Sonne. "Auch nicht", antwortete Voland, seine Stimme verdichtete sich und rollte über die Felsen. "Romantischer Meister! Der, den der von Euch erdachte, eben von Euch befreite Held so sehr zu sehen dürstet, hat Euren Roman gelesen." Voland wandte sich Margarita zu: "Margarita Nikolajewna! Ich kann nicht umhin zu glauben, daß Ihr bemüht wart, die bestmögliche Zukunft für den Meister zu erdenken, aber wahrlich, was ich Euch vorgeschlagen habe und was Jeschua für Euch erbat, ist noch besser! Die beiden laßt allein." Voland beugte sich aus dem Sattel zum Meister und zeigte hinter dem verschwundenen Prokurator her. "Wir wollen sie nicht stören.

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