Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
auf!" rief sie. "So was hab ich schon lange geahnt. Nun ist mir auch klar, warum diese unbegabte Person die Rolle der Luise bekommen hat!" Sie holte plötzlich aus und hieb ihren kurzen und dicken lila Schirm Semplejarow über den Schädel.
    Der fiese Fagott alias Korowjew schrie:
    "Das, meine verehrten Damen und Herren, ist ein Beispiel für die Entlarvung, die Arkadi Apollonowitsch so aufdringlich verlangt hat."
    "Wie kannst du es wagen, du gemeines Frauenzimmer, Hand an Arkadi Apollonowitsch zu legen?" fragte Semplejarows Gattin dräuend und erhob sich in der Loge zu ihrer vollen gigantischen Größe.
    Ein zweiter kurzer Anfall von satanischem Gelächter schüttelte die junge Verwandte.
    "Wer denn, wenn nicht ich, sollte Hand an ihn legen!" antwortete sie lachend. Zum zweitenmal erscholl das trockene Krachen des Schirms, der von Semplejarows Kopf zurücksprang. "Miliz! Nehmt sie fest!" schrie Frau Semplejarow mit so furchtbarer Stimme, daß es viele Zuschauer kalt überlief. In diesem Moment kam der Kater zur Rampe gesprungen und blaffte plötzlich mit menschlicher Stimme durchs Theater: "Die Vorstellung ist beendet! Maestro, klamauken Sie einen Marsch!"
    Der schon halbverrückte Kapellmeister fuchtelte ohne Sinn und Verstand mit seinem Stab, und die Kapelle legte los — sie spielte nicht, dröhnte nicht, schmetterte nicht, sondern sie klamaukte nach dem gemeinen Ausdruck des Katers einen unwahrscheinlichen, an Frechheit nicht zu überbietenden Marsch. Und für einen Moment schien es, als habe man sie in einem Tingeltangel unter südlichen Sternen schon einmal gehört, die kaum verständlichen, halbblinden, doch höchst draufgängerischen Worte dieses Marsches:
    Seine Hoheit, Seine Hoheit
    liebt' Hausgeflügel sehr,
    nahm unter seine Gönnerschaft
    ein ganzes Mädchenheer!
    Vielleicht waren es gar nicht diese Worte, sondern ein ganz anderer Text zur selben Musik, jedenfalls höchst unanständig. Es ist auch nicht wichtig; wichtig ist, daß danach im Variete eine Art babylonisches Stimmengewirr einsetzte. Milizionäre rannten zu Semplejarows Loge, Neugierige kletterten auf die Barriere, man hörte höllische Gelächterexplosionen und irrsinnige Schreie, übertönt vom Rasseln der Schlagbekken.
    Und man sah, daß sich die Bühne plötzlich leerte und daß der Schwindler Fagott und das unverschämte Katzenvieh Behemoth sich ebenso in Luft auflösten wie vorher der Magier im verschossenen Sessel.
13 Der Held tritt auf
    Der Unbekannte drohte also Iwan mit dem Finger und zischte: "Pssst!"
    Iwan schob die Beine aus dem Bett und glotzte. Vom Balkon her äugte ein Mann von etwa achtunddreißig Jahren ins Zimmer, glattrasiert, mit spitzer Nase, unruhigem Blick und wirr in die Stirn fallendem schwarzem Haarschopf.
    Nachdem der geheimnisvolle Besucher gehorcht und sich überzeugt hatte, daß Iwan allein war, faßte er sich ein Herz und trat ein. Iwan sah, daß er Krankenhauskleidung trug — Unterwäsche, Pantoffeln an den bloßen Füßeji und einen graubraunen Kittel lose über den Schultern.
    Er zwinkerte Iwan zu, barg ein Schlüsselbund in der Tasche, erkundigte sich flüsternd: "Darf ich mich setzen?" und nahm, nachdem Iwan genickt hatte, im Sessel Platz. "Wie sind Sie denn hier hereingekommen?" flüsterte Iwan, dem drohenden knochigen Finger gehorchend. "Die Balkongitter sind doch verschlossen?"
    "Sie sind es", bestätigte der Gast, "aber Praskowja Fjodorowna ist zwar herzensgut, doch leider zerstreut. Ich habe ihr vor einem Monat das Schlüsselbund geklaut, und nun kann ich auf den Balkon gelangen, der sich ums ganze Stockwerk zieht, und ab und zu einen Nachbarn besuchen."
    "Wenn Ihnen der Balkon zugänglich ist, können Sie doch auch türmen. Oder ist es zu hoch?" fragte Iwan interessiert. "Nein", antwortete der Gast fest, "ich kann hier nicht weg, nicht, weil es zu hoch wäre, sondern weil ich nicht wüßte, wo ich hin soll." Nach einer Pause fügte er hinzu: "Na?"
    "Tja", antwortete Iwan und blickte dem Ankömmling in die sehr unruhigen braunen Augen.
    ,Ja..." Der Gast wurde plötzlich nervös. "Ich hoffe, Sie sind nicht gewalttätig? Wissen Sie, ich kann nämlich Krach, Geschrei, Gewalt und dergleichen nicht vertragen. Ganz besonders hasse ich menschliches Geschrei, sei es aus Leid, aus Wut oder anderen Gründen. Beruhigen Sie mich; sagen Sie mir, Sie sind doch nicht gewalttätig?"
    "Gestern im Restaurant hab ich einem eins in die Schnauze geballert", gestand der verwandelte Lyriker mannhaft. "Grund?" fragte der

Weitere Kostenlose Bücher