Der Meister und Margarita
französisch schnatterte, und erstäunlicherweise verstanden die Frauen sie schon von der Andeutung her, selbst solche, die kein Wort Französisch konnten.
Allgemeine Verwunderung erregte ein Mann, der sich auf die Bühne drängelte. Er erklärte, seine Gattin habe Grippe, und darum bitte er, ihm etwas für sie mitzugeben. Als Beweis, daß er tatsächlich verheiratet sei, wollte er seinen Ausweis vorzeigen. Die Äußerung des sorgenden Ehegatten wurde mit Gelächter aufgenommen, Fagott brüllte, er glaube ihm wie sich selbst, auch ohne Ausweis, und überreichte ihm zwei Paar Seidenstrümpfe, und der Kater fügte von sich aus noch einen Lippenstift hinzu.
Nachzüglerinnen stürzten auf die Bühne, von der Bühne strömten Glückliche in Ballkleidern, in drachengeschmückten Pyjamas, in strengen Tageskostümen und mit Hütchen, schief aufs eine Auge geschoben.
Dann erklärte Fagott, in Anbetracht der vorgerückten Zeit werde der Laden bis zum nächsten Abend geschlossen, und zwar in genau einer Minute. Da erhob sich auf der Bühne ein unglaubliches Getümmel. Frauen rafften ohne Anprobe Schuhe. Eine brach wie ein Wirbelsturm hinter den Vorhang, warf dort ihr Kostüm ab und eignete sich das erste beste Kleidungsstück an, einen Seidenkittel, den gewaltige Blumensträuße schmückten, überdies schnappte sie zwei Parfümflakons. Genau nach einer Minute krachte ein Pistolenschuß, die Spiegel verschwanden, ebenso die Vitrinen und die Hocker, und der Teppich wie der Vorhang lösten sich in Nichts auf. Als letztes verschwand der riesige Berg alter Kleider und Schuhe, und die Bühne sah nüchtern, leer und kahl aus wie zuvor. In diesem Moment mischte sich eine neue handelnde Person ein.
Eine klangvolle und sehr eindringliche Baritonstimme sagte aus der zweiten Loge:
"Bürger Artist, es wäre trotz allem wünschenswert, daß Sie den Zuschauern unverzüglich Ihre Tricks enthüllen, besonders den Trick mit den Geldscheinen. Es wäre auch gut, wenn der Conferencier wieder auf die Bühne käme. Die Zuschauer sorgen sich um ihn."
Der Bariton gehörte niemand anderm als dem Ehrengast des heutigen Abends, Arkadi Apollonowitsch Semplejarow, Vorsitzenden der Akustischen Kommission für die Moskauer Theater. Er saß mit zwei Damen in der Loge, einer älteren, sehr teuer und modisch gekleidet, und einem blutjungen und bildhübschen Mädchen, das einfacher angezogen war. Die erste, wie sich sehr bald beim Abfassen des Protokolls herausstellte, war die Gattin Semplejarows und die zweite eine weitläufige Verwandte, eine junge hoffnungsvolle Schauspielerin aus Saratow, die bei ihm und seiner Gattin wohnte.
"Pardon!" antwortete Fagott. "Ich bitte um Verzeihung, aber hier gibt's nichts zu enthüllen, alles ist klar." "Nein, entschuldigen Sie! Die Entlarvung ist unbedingt notwendig. Ohne sie würden Ihre glänzenden Nummern einen fatalen Eindruck hinterlassen. Die Zuschauermasse verlangt eine Erklärung."
"Die Zuschauermasse", unterbrach ihn der freche Ulkmacher, "hat, glaube ich, gar keinen solchen Wunsch geäußert. Aber ich will Ihre hochgeschätzte Forderung berücksichtigen, Arkadi Apollonowitsch, und werde darum jetzt zur Entlarvung schreiten. Gestatten Sie vorher noch eine winzige Nummer?"
"Warum nicht", antwortete Semplejarow gönnerhaft, "aber unbedingt mit Entlarvung."
"Sehr wohl, sehr wohl. Gestatten Sie also zu fragen, wo waren Sie gestern abend, Arkadi Apollonowitsch?" Bei dieser unangebrachten und wohl auch taktlosen Frage wechselte Semplejarow die Farbe, und zwar gründlich. "Arkadi Apollonowitsch war gestern abend auf einer Sitzung der Akustischen Kommission", sagte seine Gattin sehr von oben herab, "aber ich verstehe nicht, was das mit der Magie zu tun hat."
"Oui, Madame!" bestätigte Fagott. "Selbstredend verstehen Sie das nicht. Was nämlich die Sitzung betrifft, so sind Sie gewaltig im Irrtum. Arkadi Apollonowitsch fuhr zwar zu der erwähnten Sitzung, die übrigens für gestern gar nicht anberaumt war, aber er entließ seinen Fahrer vorm Gebäude der Akustischen Kommission an den Klaren Teichen (das ganze Theater war mucksmäuschenstill), dann fuhr er mit dem Autobus zur Jelo-chowskaja-Straße, um die Schauspielerin Miliza Andrejewna Pokobatko vom Kreiswandertheater zu besuchen, und er verbrachte bei ihr so ungefähr vier Stunden." "Aua!" rief eine mitfühlende Stimme in der völligen Stille. Semplejarows junge Verwandte brach plötzlich in ein tiefes und furchtbares Gelächter aus. - ,Jetzt geht mir ein Licht
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