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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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seiner Verwünschungen oder aus anderen Gründen, verändert hatte. Die Sonne war verschwunden, ohne das Meer erreicht zu haben, in dem sie allabendlich versank. Sie war verschluckt worden von einer dräuenden Gewitterwolke, die stetig von Westen her heraufzog. Ihre Ränder brodelten schon in weißem Gischt, und ihr schwarzer Qualmbauch flackerte gelblich. In ihr grummelte es, und von Zeit zu Zeit zuckten Feuerfaden hervor. Über die Jaffastraße, durch das kärgliche Gihon-Tal, über die Zelte der Pilger flogen, vom plötzlichen Wind getrieben, Staubsäulen dahin. Levi verstummte und grübelte, ob das Gewitter, das Jerschalaim gleich zudecken würde, im Schicksal des unglücklichen Jeschua eine Wende bringen mochte. Er blickte auf die Feuerfaden, die die Wolke zerschnitten, und flehte, ein Blitz möge Jeschuas Pfahl treffen. Voller Reue schaute er in den klaren Himmel, soweit ihn die Wolke noch nicht verschlungen hatte und wo die Geier die Flügel breiteten, um dem Gewitter zu entfliehen, und er dachte, daß seine Verwünschungen sinnlos übereilt gewesen waren, denn jetzt würde Gott ihn nicht mehr erhören.
    Levi richtete den Blick zum Fuß des Hügels, starrte dorthin, wo verstreut die Kavallerieala stand, und sah deutlich, daß dort bedeutende Veränderungen vor sich gegangen waren. Hastig rissen die Soldaten die Lanzen aus der Erde, warfen die Umhänge über, die Pferdewärter kamen zur Straße gelaufen und führten die Rappen am Zügel. Die Ala wurde zurückgezogen, soviel war sicher. Levi schirmte das Gesicht mit der Hand vor dem peitschenden Staub, spuckte aus und bemühte sich zu ergründen, was der Abzug der Kavallerie bedeutete. Als er weiter nach oben blickte, sah er eine kleine Gestalt in purpurner Soldaten-chlamys zur Richtstätte hinaufsteigen. Im Vorgefühl eines glücklichen Endes stockte dem ehemaligen Zöllner das Herz. Der Mann, der in der fünften Leidensstunde der Verbrecher den Berg hinaufstieg, war der in Begleitung eines Melders aus Jerschalaim herbeigesprengte Kommandeur der Kohorte. Auf einen Wink des Rattenschlächters öffnete sich die Kette der Soldaten, und der Zenturio salutierte dem Tribunen. Dieser nahm den Rattenschlächter beiseite und flüsterte ihm etwas zu. Der Zenturio salutierte abermals und trat auf die Henkergruppe zu, die zu Füßen der Pfahle auf Steinen saß. Der Tribun seinerseits lenkte seine Schritte zu dem Mann auf dem dreibeinigen Schemel. Dieser erhob sich höflich. Leise sprach der Tribun auf ihn ein, dann gingen die beiden zu den Phählen. Der Chef der Tempelwache schloß sich ihnen an.
    Einen Blick voller Abscheu warf der Rattenschlächter auf die schmutzigen Lumpen am Fuß der Pfahle, die ehemaligen Kleider der Verbrecher, die die Henker verschmäht hatten, rief zwei der letzteren zu sich und befahl: "Folgt mir!" Vom nächstgelegenen Pfahl tönte ein heiseres sinnloses Lied. Der hier hängende Gestas hatte drei Stunden nach der Hinrichtung infolge der Fliegen und der Sonne den Verstand verloren, und jetzt sang er von Weintrauben, aber sein Kopf mit dem Turban bewegte sich noch ab und zu, dann erhoben sich die Fliegen träge von seinem Gesicht und ließen sich gleich erneut darauf nieder.
    Dismas am zweiten Pfahl litt noch mehr als die anderen, denn er war bei Bewußtsein und bewegte den Kopf rhythmisch nach rechts und links, um das Ohr gegen die Schulter zu stoßen. Glücklicher als die beiden war Jeschua. Schon in der ersten Stunde hatte ihn mehrmals das Bewußtsein verlassen, dann war er gänzlich in Ohnmacht gesunken, und sein Kopf im aufgelösten Turban hing herab. Er war so dicht mit Fliegen und Bremsen bedeckt, daß sein Gesicht unter einer kribbelnden schwarzen Masse verschwand. Auf dem Bauch, in den Leisten und unter den Achseln saßen fette Bremsen und saugten an dem nackten gelben Leib.
    Einer der Henker ergriff, dem Wink des Mannes mit der Kapuze gehorchend, eine Lanze, der andere brachte einen Eimer und einen Schwamm zum Pfahl. Der erste Henker stieß mit der Lanze erst gegen den einen, dann gegen den anderen gestreckten Arm Jeschuas, die mit Stricken an die Querbalken des Pfahls geschnürt waren. Ein Zucken ging durch den Körper mit den vortretenden Rippen. Der Henker führte das Speerende über Je-schuas Bauch- Da hob dieser den Kopf, brummend stiegen die Fliegen auf, und das Gesicht des Hängenden kam zum Vorschein, von Stichen gedunsen, mit verquollenen Augen, ein nicht wiederzuerkennendes Gesicht.
    Ha-Nozri zwang die verklebten Lider

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