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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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angesetzt ist. Normalerweise interessiert sich das FBI doch einen feuchten Dreck für unsere Arbeit. Sie kommen uns nicht in die Quere, wir lassen sie in Ruhe, und alle sind zufrieden. Wir haben sie auch nicht um Hilfe gebeten, als es darum ging, den Chirurgen dingfest zu machen. Wir haben alles selbstständig abgewickelt, haben sogar unseren eigenen Profiler eingesetzt. Die von der Abteilung Verhaltensforschung sind doch sowieso viel zu sehr damit beschäftigt, sich in Hollywood lieb Kind zu machen, als dass sie uns überhaupt wahrnehmen würden. Also, was ist an diesem Fall so anders? Was ist das Besondere an den Yeagers?«
    »Wir haben absolut nichts Verdächtiges über sie herausgefunden«, sagte Korsak. »Keine Schulden, keine Hinweise auf krumme Geschäfte. Keine anstehenden Prozesse. Niemand hat irgendetwas Anrüchiges über die beiden zu berichten, weder über ihn noch über sie.«
    »Woher dann das Interesse des FBI?«
    Korsak dachte über die Frage nach. »Vielleicht hatten die Yeagers ja einflussreiche Freunde. Leute, die jetzt wie wild nach Rache schreien.«
    »Aber würde Dean es uns nicht sagen, wenn es so wäre?«
    »Diese FBI-Typen waren schon immer ziemlich mundfaul«, meinte Korsak.
    Sie blickte zum Haus zurück. Es war schon fast Mitternacht, und sie hatten Maura Isles noch nicht herauskommen sehen. Als Rizzoli den Autopsiesaal verlassen hatte, war Isles gerade damit beschäftigt gewesen, ihren Bericht zu diktieren, und hatte ihr zum Abschied nur flüchtig zugewinkt. Die Königin der Toten hatte kaum Augen für die Lebenden.
    Aber bin ich denn anders? Wenn ich nachts im Bett liege, sehe ich auch nur die Gesichter der Ermordeten.
    »Es geht hier schließlich nicht nur um die Yeagers«, sagte Korsak. »Spätestens, seit wir die zweite Leiche dort im Wald gefunden haben.«
    »Ich denke, damit ist Joey Valentine wohl aus dem Schneider«, meinte Rizzoli. »Wir haben jetzt eine Erklärung dafür, wie das Leichenhaar an die Kleidung unseres Täters geraten ist: Es stammt von einem früheren Opfer.«
    »Noch bin ich nicht fertig mit Joey. Ich werde ihm noch ein bisschen mehr Dampf unterm Hintern machen.«
    »Können Sie ihm denn irgendetwas nachweisen?«
    »Ich suche noch, ich suche.«
    »Sie werden mehr brauchen als eine verjährte Anklage wegen Voyeurismus.«
    »Aber dieser Joey ist doch abartig. Das ist doch abartig, wenn man Spaß dran hat, toten Frauen die Lippen zu schminken.«
    »Das reicht aber nicht.« Sie starrte zum Gebäude hinüber, dachte an Maura Isles. »Irgendwie sind wir doch alle ein bisschen abartig.«
    »Ja, nur sind wir dabei noch irgendwie normal. Aber dieser Joey – so abartig wie der ist, das ist doch nicht mehr normal.«
    Sie lachte. Ihre Unterhaltung war ins Absurde abgedriftet, und sie war zu müde, um sie wieder in vernünftigere Bahnen zu lenken.
    »Was hab ich denn gesagt?«, wollte Korsak wissen.
    Sie drehte sich zu ihrem Wagen um. »Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich brauche dringend ein paar Stunden Schlaf.«
    »Sind Sie morgen dabei, wenn der Knochendoktor kommt?«
    »Ja, ich bin dabei.«
    Am Nachmittag des folgenden Tages sollte ein forensischer Anthropologe zusammen mit Maura Isles die skelettierten Überreste der zweiten Frau in Augenschein nehmen. Es war eine Pflicht, der Rizzoli sich nicht entziehen konnte, so gerne sie auf einen weiteren Besuch in diesem Haus des Schreckens verzichtet hätte. Sie ging zu ihrem Wagen und schloss die Tür auf.
    »He, Rizzoli!«, rief Korsak ihr nach.
    »Was?«
    »Haben Sie schon gegessen? Wie wär’s – kommen Sie mit auf einen Burger oder so?«
    Es war eine ganz normale Einladung unter Cops. Ein Hamburger, ein Bier, ein paar Stunden Entspannung nach einem stressigen Tag. Absolut nichts Ungewöhnliches oder gar Ungehöriges – und doch hatte sie ein ungutes Gefühl, denn sie spürte die Einsamkeit, die Verzweiflung, die dahinter stand. Und sie wollte sich nicht von diesem Mann in seinen Sumpf hineinziehen lassen.
    »Vielleicht ein andermal«, sagte sie.
    »Ja. Okay«, entgegnete er. »Ein andermal.« Und nachdem er ihr kurz zugewinkt hatte, drehte er sich um und ging zu seinem eigenen Wagen.
    Zu Hause fand sie eine Nachricht von ihrem Bruder Frankie auf dem Anrufbeantworter. Während sie ihre Post durchsah, hörte sie seine dröhnende Stimme vom Band, und das Bild seiner Macho-Pose und seiner arrogant-fordernden Miene tauchte vor ihrem geistigen Auge auf.
    »He, Janie? Bist du da?« Eine lange Pause. »Ach, Mist.

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