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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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ersten silbernen Strähnen durchzogenen Haaren. »Ich hatte meine Pflichten hier im Haus«, sagte Evelyn. »Die ganzen Leute, die ihr Geld zurückhaben wollten. Und dann ist die Presse aufgekreuzt. Ich musste noch mal herkommen und mich mit den Reportern herumschlagen.« Sie ließ ein müdes Lachen hören. »Das ist mein Job – Feuerwehreinsätze am laufenden Band.«
    »Welche Tätigkeit üben Sie hier genau aus, Miss Petrakas?«, fragte Frost.
    »Meine offizielle Funktion?« Sie zuckte mit den Achseln. »›Programmkoordinatorin für Gastkünstler.‹ Konkret heißt das, dass ich für ihr leibliches und seelisches Wohl während ihres Aufenthalts in Boston verantwortlich bin. Es ist erstaunlich, wie hilflos manche von ihnen sind. Sie verbringen ihr ganzes Leben in Probenräumen und Studios. Die wirkliche Welt ist ihnen ein Buch mit sieben Siegeln. Also empfehle ich ihnen Übernachtungsmöglichkeiten, sorge dafür, dass sie vom Flughafen abgeholt werden, dass ihnen eine Schale mit Obst aufs Zimmer gebracht wird – was immer sie für ihr Wohlbefinden brauchen. Ich halte ihnen die Hand, wenn’s sein muss.«
    »Wann sind Sie den Ghents zum ersten Mal begegnet?«, fragte Rizzoli.
    »Einen Tag nach ihrer Ankunft in Boston. Ich habe sie von ihrem Haus abgeholt. Sie konnten kein Taxi nehmen, weil Alex’ Cellokasten zu sperrig war. Aber ich habe einen Geländewagen mit umklappbarem Rücksitz.«
    »Sie haben die beiden also während ihres Aufenthalts in der Stadt herumgefahren?«
    »Nur von ihrem Haus zur Symphony Hall und zurück.«
    Rizzoli warf einen Blick in ihr Notizbuch. »Nach meinen Informationen gehört das Haus in Beacon Hill einem Kuratoriumsmitglied des Symphonieorchesters. Einem gewissen Christopher Harm. Lädt er öfter Musiker ein, bei ihm zu wohnen?«
    »Ja, den Sommer über, wenn er in Europa ist. Das ist so viel angenehmer als ein Hotelzimmer. Mr. Harm vertraut klassischen Musikern vollkommen. Bei ihnen weiß er, dass er sich um sein Haus keine Sorgen machen muss.«
    »Haben Gäste von Mr. Harm je über irgendwelche Probleme geklagt?«
    »Probleme?«
    »Über Fremde, die auf dem Grundstück herumschleichen, Einbrecher oder dergleichen. Irgendetwas, was sie beunruhigt hätte.«
    Evelyn schüttelte den Kopf. »Das ist schließlich Beacon Hill, Detective. Eine angenehmere Gegend könnten Sie sich nicht wünschen. Ich weiß, dass es Alex und Karenna dort sehr gefallen hat.«
    »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    Evelyn schluckte. Leise antwortete sie: »Gestern Abend. Als ich Alex fand…«
    »Ich meinte, als er noch am Leben war, Miss Petrakas.«
    »Oh.« Evelyn lachte verlegen. »Natürlich meinten Sie das. Es tut mir Leid, ich habe einfach nicht nachgedacht. Es fällt mir so schwer, mich zu konzentrieren.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß gar nicht, warum ich heute überhaupt zur Arbeit gekommen bin. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich dazu verpflichtet wäre.«
    »Also, wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«, hakte Rizzoli nach.
    Diesmal antwortete Evelyn mit festerer Stimme. »Das war vorgestern Abend. Nach ihrem Konzert habe ich sie nach Beacon Hill gefahren. Das war so gegen elf.«
    »Haben Sie sie nur abgesetzt, oder sind Sie noch mit ihnen ins Haus gegangen?«
    »Ich habe sie direkt vor ihrer Tür rausgelassen.«
    »Haben Sie noch gesehen, wie sie ins Haus gingen?«
    »Ja.«
    »Die beiden haben Sie also nicht noch hineingebeten?«
    »Ich glaube, sie waren ziemlich müde. Und auch ein wenig niedergeschlagen.«
    »Wieso?«
    »Sie hatten sich so darauf gefreut, in Boston aufzutreten, aber das Konzert war nicht so gut besucht, wie sie gehofft hatten. Und wir gelten schließlich als die Stadt der Musik. Wenn wir hier schon nicht mehr Leute hinter dem Ofen hervorlocken konnten, was konnten sie sich dann von Detroit oder Memphis erhoffen?« Evelyn blickte mit betrübter Miene auf die Bühne. »Wir sind Dinosaurier, Detective. Das hat Karenna im Auto gesagt. Wer weiß denn heute noch etwas mit klassischer Musik anzufangen? Die meisten jungen Leute ziehen sich lieber Musikvideos rein. Irgendwelche Leute mit Ringen in der Nase, die wild herumhopsen. Und warum muss dieser Sänger – wie heißt er noch gleich? – unbedingt die Zunge herausstrecken? Was hat das denn mit Musik zu tun?«
    »Gar nichts«, pflichtete Frost bei, den das Thema gleich in Fahrt brachte. »Ob Sie’s glauben oder nicht, Miss Petrakas, aber meine Frau und ich, wir haben uns erst vor ein paar Tagen genau darüber

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