Der Meister
die Sie mir zur Verfügung gestellt haben, extrahiert und die spezifischen Orte isoliert, die wir miteinander vergleichen wollen. Es handelt sich dabei nicht um die eigentlichen Gencodes, sondern um Abschnitte des DNA-Strangs mit Basenpaaren, die sich unterschiedlich oft wiederholen. Sie eignen sich besonders gut zu Identifikationszwecken.«
»Und was stellen nun diese verschiedenen Abschnitte dar? Woher stammen sie?«
»Beim ersten und zweiten Abschnitt von links handelt es sich um Kontrollproben. Nummer eins ist eine typische DNA-Leiter, die uns hilft, die jeweiligen Positionen auf den Proben zu lokalisieren. Die zweite Säule ist eine Standard-Zellreihe, die ebenfalls zu Kontrollzwecken dient. Nummer drei, vier und fünf sind Beweismaterial, sie stammen aus bekannten Quellen.«
»Aus welchen?«
»Strang drei von dem Verdächtigen Joey Valentine. Nummer vier ist Dr. Yeager, Nummer fünf Mrs. Yeager.«
Rizzolis Blick blieb an Nummer fünf haften. Sie versuchte sich mit der Vorstellung vertraut zu machen, dass dies ein Teil des Bauplans war, der Gail Yeager geschaffen hatte. Dieses einmalige, unverwechselbare menschliche Wesen ließ sich letztlich auf solche Ketten von dunklen Klecksen reduzieren – vom genauen Farbton ihrer blonden Haare bis hin zum Klang ihres Lachens. Rizzoli konnte nichts Menschliches an diesem Autoradiogramm erkennen, nichts von der Frau, die ihren Mann geliebt und um ihre Mutter getrauert hatte. Sind wir denn nicht mehr als das? Nichts weiter als eine Kette chemischer Elemente? Wo ist der Platz der Seele in dieser Doppelhelix?
Ihr Blick ging weiter zu den beiden letzten Reihen. »Und was stellen die beiden anderen dar?«
»Das sind die nicht identifizierten Proben. Nummer sechs stammt aus dem Spermafleck auf dem Teppich der Yeagers. Nummer sieben ist das frische Sperma aus der Scheide des Opfers Gail Yeager.«
»Die letzten beiden scheinen identisch zu sein.«
»Das ist richtig. Die beiden nicht identifizierten DNA-Proben stammen von ein und demselben Mann. Und wie Sie selbst sehen können, handelt es sich weder um Dr. Yeager noch um Mr. Valentine. Damit scheidet Mr. Valentine praktisch als Verursacher der Spermaspuren aus.«
Sie betrachtete gebannt die beiden nicht identifizierten Stränge. Der genetische Fingerabdruck eines Monsters.
»Da haben Sie Ihren Täter«, sagte de Groot.
»Haben Sie bei CODIS angerufen? Wäre es möglich, dass wir sie überreden, sich mit dem Datenabgleich ein bisschen zu sputen?«
CODIS war der Name einer nationalen DNA-Datenbank. Darin waren die genetischen Profile tausender verurteilter Straftäter ebenso gespeichert wie die nicht identifizierten DNA-Proben von Tatorten im ganzen Land.
»Das ist der eigentliche Grund, weshalb ich Sie angerufen habe. Ich habe die DNA von dem Fleck auf dem Teppich letzte Woche eingeschickt.«
Sie seufzte. »Das heißt, wir können in etwa einem Jahr mit einer Antwort rechnen.«
»Nein. Agent Dean hat mich vorhin angerufen. Die DNA Ihres Täters ist nicht in CODIS erfasst.«
Sie sah ihn verblüfft an. »Agent Dean hat die Information an Sie weitergeleitet?«
»Er muss ihnen wohl irgendwie Feuer unterm Hintern gemacht haben. In meiner gesamten Zeit hier im Labor habe ich es noch nie erlebt, dass eine Anfrage an CODIS so schnell bearbeitet wurde.«
»Haben Sie sich das Ergebnis auch direkt von CODIS bestätigen lassen?«
De Groot runzelte die Stirn. »Nein, wieso? Ich nahm an, dass Agent Dean wohl gewusst hatte…«
»Bitte, rufen Sie CODIS an. Ich hätte gerne eine Bestätigung.«
»Gibt es irgendwelche … äh … Zweifel an Deans Vertrauenswürdigkeit?«
»Gehen wir doch einfach auf Nummer Sicher, okay?« Sie warf noch einen Blick auf den Lichtkasten. »Wenn es stimmt, dass unser Bursche nicht in CODIS ist …«
»Dann haben Sie es mit einem neuen Kandidaten zu tun, Detective. Oder mit jemandem, der es bisher verstanden hat, sich dem System zu entziehen.«
Frustriert starrte sie die Kette aus dunklen Flecken an. Wir haben seine DNA, dachte sie. Wir haben sein genetisches Profil. Aber wir kennen immer noch nicht seinen Namen.
Rizzoli legte eine CD auf und ließ sich auf das Sofa sinken, während sie sich die Haare mit einem Handtuch frottierte. Die satten Klänge eines Cellos ergossen sich aus dem Lautsprecher wie geschmolzene Schokolade. Obwohl sie kein Klassikfan war, hatte sie sich im Souvenirladen der Symphony Hall eine CD mit frühen Aufnahmen von Alexander Ghent gekauft. Wenn sie sich mit jedem
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