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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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heraus. Was mochte es bloß an sich haben, dieses Bild, dass ihm so viel daran lag? Und dass es Rachel dermaßen stark beschäftigte?

18. KAPITEL
    G enau wie schon damals, als ich Schafhirte war in Assyrien, so schauen die Sterne auch jetzt in Neu-England auf mich herab
.
– Henry David Thoreau in einem Brief an Harrison Blake, 27. Februar 1853 –
    Rom, Italien – Dienstag, 16:50 Uhr
    Josh hatte noch nie im Leben eine Gefängniszelle von innen gesehen. Dementsprechend war er bislang davon ausgegangen, dass einem die in Ungewissheit verbrachte Warterei wie eine Ewigkeit vorkommen müsse. Aber die Zeit verging noch langsamer. Wäre nicht das Geläut der Kirchenglocken gewesen – er hätte nicht einmal sagen können, wie lange er sich jetzt schon in Haft befand.
    Gleich nach der Einlieferung war er mindestens eine halbe Stunde lang vernommen worden. Heilfroh darüber, dass er den Ermittlern sachdienliche Hinweise zur Ergreifung des Täters geben konnte, hatte er eine detaillierte Beschreibung des Räubers geliefert. Bei all seinen umfangreichen Aussagen war es indes eher das, was er verschwieg, das den Commissario auf die Palme brachte.
    “Es gibt da nach wie vor so einiges, was ich nicht verstehe, Mr. Ryder”, hatte Tatti mürrisch gegrummelt, die Zigarettenkippe zwischen den Lippen. “Vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas ein, was Sie vergessen haben. Oder Sie liefern mir wenigstens eine plausible Erklärung dafür, dass Sie am Tatort waren, obwohl Sie da überhaupt nichts verloren hatten.”
    “Hält man mich etwa als Verdächtigen fest?”
    Der Commissario tat so, als habe er die Frage nicht gehört. “Eins dürfte Ihnen doch klar sein: Falls Sie die Wahrheit sagen und den Täter beobachtet haben, sind Sie Ihres Lebens nicht mehr sicher.” Er gebärdete sich schon wieder wie in einem Krimi, womit er Josh allmählich auf die Nerven ging. “Das hier ist bestimmt nicht das bequemste Bett in Rom, aber das sicherste allemal.”
    “Welche Rechte habe ich hier als amerikanischer Staatsbürger? Kann ich mit einem Anwalt sprechen? Darf ich telefonieren?”
    “Aber selbstverständlich dürfen Sie das. Alles zu gegebener Zeit.”
    Das war mittlerweile zwei Stunden her.
    Übermüdung, Frust und Angst vermengten sich zu einem heillosen Gefühlswirrwarr, sodass Josh vor lauter Nervosität und Überdrehtheit kein Auge zubekam, zumal die Pritsche das unbequemste Möbelstück war, auf dem er je gesessen oder gelegen hatte. Bei dieser Gelegenheit fielen ihm sämtliche Reportagen ein, die er über im Ausland verhaftete Verdächtige gelesen hatte, wenn diese zu Unrecht oder über längere Zeiträume eingesperrt wurden – alles wegen angeblicher Vergehen, die sie nicht begangen hatten. Genauso gingen ihm etliche Filme durch den Kopf, deren Geschichten nach demselben Strickmuster abliefen: Der Held wird, obwohl unschuldig, in einem ihm fremden Land ins Gefängnis gesteckt.
    Was die Sache in diesem Falle zusätzlich erschwerte, war dies: Falls er den italienischen Behörden erklärte, wieso er sich ausgerechnet zum Zeitpunkt des Raubes in der Grabkammer aufgehalten hatte, hieß das, dass er sich erst recht nicht vom Tatvorwurf würde entlasten können. Die Anwandlung, die ihn dazu veranlasst hatte, noch vor Tagesanbruch durch die Straßen der Ewigen Stadt zu streifen, war an sich schon verdächtig genug. Wie aber sollte er logisch erklären, dass er aufgrund von diffusen Eingebungen gewusst hatte, wohin er marschierte? Ausgeschlossen. Es war das Beste, den Mund zu halten und die Sache auszusitzen. Inzwischen hatte Malachai sicherlich schon bei der amerikanischen Botschaft vorgesprochen und um Hilfe gebeten. Oder er hatte Beryl angerufen, und sie setzte ihrerseits schon alle Hebel in Bewegung, damit Josh freikam. So oder so – es konnte sich im Grunde nur noch um Minuten handeln, bis ihn jemand herausholte.
    Während er gegen die Wände der fensterlosen, schmuddeligen Zelle starrte, ließ er seine Gedanken zurück zu Sabinas Krypta schweifen, jenem unterirdischen, fensterlosen Verlies, das seiner Gefängniszelle so ähnelte. Ja, wenn er je nach Lust und Laune Zugang zu seinen Visionen hätte! Damit wäre er in der Lage gewesen, sich während der Haft die Zeit zu vertreiben. Er hatte noch so viele Fragen bezüglich der Dinge, die er im Verlaufe des Morgens herausgefunden hatte! Hinsichtlich des Grabes, insbesondere hinsichtlich Julius’ Treue zu einer Religion, die eine Vestalin, die ihr Keuschheitsgelübde brach, mit dem

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