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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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weil es einfach nicht sein konnte. Er stieg auf das Bett und legte seinen Kopf auf das Kissen. So lag er ganz still.
    4
     
    Philip schied unter Tränen von Emma, aber die Reise nach Blackstable machte ihm Spaß, und als er ankam, hatte er sich beruhigt und war heiter. Blackstable war sechzig Meilen von London entfernt. Mr.   Carey übergab das Gepäck einem Träger und machte sich mit Philip zu Fuß auf den Weg zum Pfarrhaus.
    Sie hatten kaum fünf Minuten zu gehen, und als sie es sahen, erinnerte sich Philip plötzlich an das Gartentor. Es war rot und hatte einen Schlagbaum mit fünf Barren; es saß lose in den Angeln und bewegte sich leicht nach beiden Seiten; und es war möglich, wenngleich verboten, auf diesem Gartentor hin und her zu schwingen. Durch den Garten gingen sie zur Haustür. Diese wurde nur von Gästen und an Sonntagen oder bei ganz besonderen Anlässen benützt, so zum Beispiel, wenn der Pastor nach London fuhr oder von dort zurückkehrte. Für gewöhnlich bediente man sich eines Seiteneinganges, und außerdem gab es noch eine Hintertür für den Gärtner und für Bettler und Vagabunden. Es war ein ziemlich großes gelbes Ziegelhaus mit rotem Dach, das vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren in einem kirchlichen Stil erbaut worden war. Die Haustür sah aus wie ein Kirchenportal, und die Fenster des Salons waren gotisch.
    Mrs.   Carey, die wusste, mit welchem Zug sie kommen würden, wartete im Salon und horchte auf das Geräusch des Gartentores. Als sie es hörte, ging sie zur Tür.
    »Da ist Tante Louisa«, sagte Mr.   Carey, als er sie erblickte. »Lauf hin und gib ihr einen Kuss.«
    Philip fing ungeschickt zu laufen an, seinen Klumpfuß hinter sich herschleifend, und hielt dann inne. Mrs.   Carey war eine kleine, verhutzelte Frau im gleichen Alter wie ihr Mann, mit einem Gesicht, das von einem wahren Netz von Runzeln überzogen war, und blassblauen Augen. Ihr graues Haar war nach der Mode ihrer Jugend in Locken frisiert. Sie trug ein schwarzes Kleid, und ihr einziger Schmuck war eine Goldkette, an der ein Kreuz hing. Sie hatte ein schüchternes Wesen und eine sanfte Stimme.
    »Du bist zu Fuß gegangen, William?«, sagte sie beinahe vorwurfsvoll, während sie ihren Gatten küsste.
    »Ich habe gar nicht daran gedacht«, entgegnete er mit einem Blick auf seinen Neffen.
    »Hat dich das Gehen angestrengt, Philip?«, fragte sie das Kind.
    »Nein, ich gehe immer.«
    Philip wunderte sich ein wenig über dieses Gespräch. Tante Louisa forderte ihn auf hereinzukommen, und sie traten ins Haus. Die Diele war mit roten und gelben Kacheln gepflastert, die abwechselnd mit einem griechischen Kreuz und einem Gotteslamm verziert waren. Eine imposante Treppe führte ins obere Stockwerk. Sie war aus poliertem Eichenholz, das einen eigentümlichen Geruch ausströmte, und war eingebaut worden, als in der Kirche neue Bänke aufgestellt worden waren. Damals war glücklicherweise sehr viel Holz übriggeblieben. Die Balustrade war mit den Emblemen der vier Evangelisten geschmückt.
    »Ich habe einheizen lassen, weil ich dachte, dass ihr von der Reise durchfroren zurückkommen würdet«, sagte Mrs.   Carey.
    In der Eingangshalle stand ein großer schwarzer Ofen, der nur bei außergewöhnlich schlechtem Wetter geheizt wurde und wenn der Pastor erkältet war. Kohle war teuer. Überdies wollte das Mädchen, Mary Ann, nichts davon wissen, in allen Räumen zu heizen. Wenn sie es überall im Haus warm haben wollten, hätten sie ein zweites Mädchen gebraucht. Im Winter hielten sich Mr. und Mrs.   Carey tagsüber im Speisezimmer auf, so dass ein Ofen ausreichte, und im Sommer blieben sie bei dieser Gewohnheit. Der Salon wurde nur von Mr.   Carey an Sonntagen für sein Mittagsschläfchen benützt. Aber jeden Samstag ließ er in seinem Arbeitszimmer Feuer machen, um dort seine Predigt zu schreiben.
    Tante Louisa ging mit Philip hinauf und führte ihn in ein winziges Schlafzimmer, das auf die Einfahrt hinausging. Unmittelbar vor dem Fenster war ein großer Baum, an den Philip sich nun erinnerte, weil seine Zweige so tief herabreichten, dass man daran hoch in die Krone hinaufklettern konnte.
    »Ein kleines Zimmer für einen kleinen Jungen«, sagte Mrs.   Carey. »Du wirst dich doch nicht fürchten, allein zu schlafen?«
    »O nein.«
    Als er zum ersten Mal zu Besuch ins Pfarrhaus gekommen war, war das Kindermädchen dabei gewesen, und Mrs.   Carey hatte nur wenig mit ihm zu tun gehabt. Sie blickte ihn nun unsicher an.
    »Kannst

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