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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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und eine Taschenlampe verstaut. Sein Handy hatte er leise und nur auf Vibration gestellt.
    Das Risiko, von Spaziergängern entdeckt zu werden, war ziemlich gering, der Weg befand sich auf der anderen Seite des Hauses, hier gab es nur Dickicht, und es war davon auszugehen, dass bei diesem ungemütlichen Wetter niemand durchs Unterholz schlich. Lediglich von einem Hund konnte er aufgespürt werden, aber mit dieser Gefahr wollte er sich jetzt nicht auseinandersetzen. Wenn es so weit war, würde er darauf reagieren, vorher nicht.
    Er wartete fünf Stunden, bis er sie zum ersten Mal sah. Vollkommen zerzaust und ziemlich verschlafen schleppte sie sich zur Küche, nahm ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit Wasser aus der Leitung und trank es hastig aus. Dann stützte sie sich auf den Tresen, wartete einen Moment und rang pumpend nach Atem, so dass sich ihr Brustkorb extrem hob und senkte.
    Als hätte sie einen Hundertmetersprint hinter sich, dachte Jonathan.
    Ihr Bauch, den sie mit der rechten Hand umfasste und zu stabilisieren versuchte, hatte bedrohliche Ausmaße angenommen, die sich unter dem engen T-Shirt, das sie trug, deutlich abzeichneten.
    Jonathan jubilierte innerlich. Ich bin also noch nicht zu spät! Gott sei Dank bin ich noch rechtzeitig gekommen. Und wie es aussieht, dauert es nicht mehr lange.
    Ein Auto fuhr vor und parkte in der Einfahrt. Es war nicht Tobias’ Wagen, das sah Jonathan sofort.
    Hella stieg aus. Sie hatte zwei Einkaufstüten und eine Babytragetasche dabei, an der noch das Preisschild baumelte, und ging ins Haus. Im Wohnzimmer umarmten sich die beiden Frauen, Leonie begutachtete die Tragetasche von allen Seiten und strahlte. Sie küsste ihre Schwiegermutter auf die Wange.
    Diese lächelte und begann, sich in der Küche zu schaffen zu machen.
    Jetzt werden sie das Abendbrot zubereiten, überlegte Jonathan. Vielleicht konnte er sich für ein paar Stunden entfernen. Babys kamen meist in den frühen Morgenstunden zur Welt. Spätestens um Mitternacht wollte er wieder auf seinem Posten sein.
    Erst als er durch den Wald zurück zu seinem Auto ging, merkte er, wie verfroren er war und wie steif seine Knochen geworden waren. Er konnte kaum gehen, und seine Nase lief. Eine Erkältung konnte er jetzt auf keinen Fall gebrauchen.
    Er fuhr zu seiner kleinen Pension außerhalb von Buchholz, in der er sich unter falschem Namen eingemietet hatte, ließ heißes Wasser einlaufen und legte sich in die Badewanne. Allmählich wurde ihm warm, und er spürte, wie das Blut wieder zu fließen begann und sein Körper weich und geschmeidig wurde. Die Augen fielen ihm zu, aber bevor er tatsächlich in der Wanne einschlief, stand er auf, frottierte sich ab, zog sich an und fuhr nach Buchholz in ein kleines Bistro. Dort aß er eine gemischte Nudelpfanne, trank zwei Bier und fuhr zurück in seine Pension. Den Weckruf seines Handys stellte er auf kurz vor Mitternacht und fiel augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
     
    »Dreiundzwanzig Uhr und fünfzig Minuten. Zeit aufzustehen!«, sagte die monotone Computerstimme. Nach der dritten Wiederholung begriff Jonathan, dass er gemeint war. Im ersten Moment hatte er nicht gewusst, wo er sich befand. Sofia, dachte er und tastete links neben sich, aber seine Hand fiel ins Leere. Da war nicht Sofias Bett, sondern nur ein abgetretener und verblichener Bettvorleger.
    Augenblicklich war er hellwach, richtete sich ruckartig auf und schaltete den Weckruf des Handys aus.
    BEEIL DICH!
    Jonathan zog sich eilig an, kochte frischen Tee mit einem altmodischen Tauchsieder, den er in Amandas Küchenschrank gefunden und mitgebracht hatte, füllte den Tee in die Thermoskanne, steckte sich zwei Äpfel ein, kontrollierte, ob er auch wirklich die Taschenlampe dabeihatte, und fuhr los.
    In der Nacht wagte er sich bis auf dreißig Meter in die Nähe des Hauses. Er parkte den Wagen in einem kleinen, fast zugewucherten Waldweg, von dem er ausging, dass er nicht mehr benutzt wurde, und schlich zum Grundstück, ohne die Taschenlampe einzuschalten.
    Mittlerweile kannte er sich gut aus und fand die Stelle, wo er tagsüber gelegen hatte und von der aus er Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Küche im Blick hatte, trotz Dunkelheit auf Anhieb. So geht es Sofia immer, dachte er, sie bewegt sich nur in der Dunkelheit, das ist ja unerträglich.
    Im Haus war alles dunkel, und auch die Gartenbeleuchtung war nicht angeschaltet. Jonathan konnte absolut nichts erkennen. Trotz Isomatte und Bergsteigerbekleidung kroch ihm die

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