Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
zubereitet, ohne dass er von den anderen isoliert ist. Jonathan, das ist herrlich!«
    Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
    »Wenn du dich jetzt nach links wendest, gibt es auch noch eine gemütliche Sitzecke, direkt daneben die Anlage, damit du Musik hören kannst.«
    »Dann steht der Esstisch jetzt beim Kamin?«
    »Ja, weil wir dort einfach viel häufiger sitzen werden. Nächtelang wahrscheinlich. Und auch von unseren Freunden setzt sich nie jemand in die Sessel.«
    »Das finde ich wunderbar, Jonathan.«
    Anschließend zeigte und erklärte er ihr die neue Küchenzeile, das Bad und das Schlafzimmer.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schön wird«, seufzte Sofia.
    Mit den Händen tastete sie Möbel und Wände ab, aber stutzte, als sie neben dem Schlafzimmer noch eine Tür entdeckte.
    »Was ist das?«
    »Die alte Abstellkammer. Dadurch, dass die Wohnung jetzt größer geworden ist, weil wir die Wand zum Magazin rausgenommen haben, ist sie mit integriert.«
    Sofia drückte die Klinke herunter. Die Tür war abgeschlossen.
    »Was ist da drin?«
    »Nichts Besonderes. Ein paar Kleinigkeiten. Sachen von früher.«
    »Und warum hast du die Tür abgeschlossen?«
    »Sofia, bitte! Frag mir jetzt keine Löcher in den Bauch! Ich habe dort ein paar persönliche Dinge verwahrt. Der Raum ist nicht groß, aber ich brauche ihn für mich. Nur für mich.«
    Sie nickte, aber sie hatte keinerlei Verständnis dafür. Warum hatte er Geheimnisse vor ihr?
    »Ich brauche einfach ab und zu mal einen Ort, wo ich ungestört und allein sein kann.«
    Es gab ihr einen Stich, als er das sagte.
    »Aber ich störe dich doch nicht! Du kannst überall allein sein! Ich seh ja noch nicht mal, was du tust, wenn ich mit dir im selben Raum bin!«
    »Sofia, das ist meine Kammer, und basta.« Die Zärtlichkeit in seiner Stimme und die Freude über die neue gemeinsame Wohnung waren verschwunden. Er klang hart und kalt, und sie zuckte zusammen.
    Sofia sprach ihn nicht wieder auf die Kammer an, aber sie litt darunter. Er hatte sich etwas erschaffen, was sie trennte. Sie waren nicht mehr eins.
     
    Es war vor zwei Monaten an einem kühlen Herbstmorgen im Oktober. Jonathan duschte gerade, als er hörte, dass Riccardo vor dem Haus einen lauten Schrei ausstieß. Sofort kam Jonathan aus der Dusche, sprang in Windeseile in seine Jeans, zog sich einen Pullover über, stürzte ins Freie und sah Riccardo im Gras sitzen, neben seinem Trecker, dessen Motor noch lief. Riccardo wimmerte vor Schmerzen, und im ersten Moment dachte Jonathan, er wäre von seinem eigenen Trecker überfahren worden, aber als er ihn fragte, schüttelte Riccardo den Kopf und zeigte auf sein Bein.
    »Fahr mich zum Pronto Soccorso«, bat er, »da drin hat was geknallt, und irgendetwas Schreckliches ist mit meinem Bein passiert, ich kann keinen Schritt mehr laufen.«
    Jonathan hievte ihn in sein Auto und fuhr sofort los.
    Sofia ging zurück in die Wohnung. Sie fröstelte und hielt die Hand über die Feuerstelle. Wahrscheinlich war noch Glut vorhanden, denn sie spürte Wärme und legte einige Holzscheite in den Kamin. Dann setzte sie sich in ihren Sessel und hörte Musik.
    Irgendwie musste sie eingeschlafen sein, denn als sie erwachte, war es im Zimmer warm und gemütlich, und anderthalb Stunden waren vergangen.
    Mit schlechtem Gewissen stand Sofia auf und wusch das Frühstücksgeschirr ab. Anschließend ging sie ins Bad. Sie ertastete Zahnpastareste im Waschbecken, holte sich einen Lappen und begann, das Waschbecken und die Ablageflächen zu putzen.
    Plötzlich spürte sie etwas, und ihr Herz schlug schneller.
    Jonathan hatte beim eiligen Anziehen und dem anschließenden hastigen Aufbruch seine Kette vergessen. Die silberne Kette mit dem kleinen Schlüssel.
    Dem Schlüssel zur Kammer.
    Sofia musste sich am Waschbeckenrand festhalten, so aufgeregt war sie. Jonathan war schon zweieinhalb Stunden unterwegs. Er konnte jederzeit wiederkommen.
    Dennoch ging sie langsam zur Kammertür. Nach einer Weile fand sie das Schlüsselloch, der Schlüssel drehte sich ganz leicht, und die Tür ging auf.
    Sofia atmete tief durch.
    Die Kammer war winzig. Ohne sich zu bewegen, konnte sie alle Wände mit ihren Händen erreichen.
    Direkt vor ihr stand eine kleine Kommode mit drei Schubladen. Intuitiv zog sie die linke auf.
    Darin lag eine CD. Sie tastete die Plastikhülle ab und erschrak. Rechts oben in der Ecke klebte ein Herz. Es war ihre Lieblings-CD. Romanza von Andrea Bocelli. Von einem Tag auf den anderen war

Weitere Kostenlose Bücher