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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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unaufhörlich.
    Alles, was geschehen war, erfuhr er von Hella.
    Als sie fertig war und er alles wusste, was man wissen konnte, wurde Tobias aktiv. An Schlaf war gar nicht mehr zu denken.
    Er zog sich ins Arbeitszimmer zurück und telefonierte.
    - Er bat einen befreundeten Arzt aus Hamburg, sich um Leonie zu kümmern, da er sich ernsthaft Sorgen um sie machte.
    - Er rief in New York an und sagte, dass er nicht in drei Tagen zurück sein würde. Deutete kurz an, was passiert war und ließ offen, wann er seine Arbeit wieder aufnehmen würde.
    - Er cancelte seinen Rückflug.
    - Er führte ein langes Gespräch mit der Polizei und dem Chefarzt der Klinik.
    - Er bat seinen Vater, zu kommen.
     
    Bereits abends um sieben traf Henning im Haus seines Sohnes ein.
    Beim Abendbrot schwiegen sie. Die Trauer war so übermächtig, dass es unvorstellbar schien, etwas zu sagen.
    Leonie hatte eine Spritze bekommen, lag im Bett und schlief.
    Nach dem Essen legte Tobias sein Besteck zur Seite und sah seine Eltern an. »Nur eines wollte ich euch noch sagen, und es ist mir verdammt ernst damit: Wer immer das getan hat – wenn sie ihn finden, bringe ich ihn um! Das schwöre ich.«
    Henning hatte seinen Sohn noch nie so entschlossen, klar und eiskalt erlebt.
    Er sagte nichts dazu. Auch Hella schwieg.
    Und beide konnten ihn sogar verstehen.

JONATHAN

SIEBENUNDDREISSIG
    Jonathan war vollkommen übermüdet. Alle zwei Stunden fuhr er auf einen Rastplatz, schüttete das Trockenmilchpulver auf der Toilette in ein Fläschchen, goss warmes Leitungswasser dazu, schüttelte es ausgiebig und fütterte die kleine Lisa-Marie, die gierig trank. Er betete, dass das Wasser in Ordnung war und Lisa-Marie es vertragen würde. Wenn er endlich auf La Passerella war, konnte er das Wasser abkochen.
    Er hatte achtundvierzig Fertigwindeln, Babycreme, eine warme Babydecke, fünf Erstlingsstrampler, Jäckchen, Socken, Mütze und winzige Handschuhe gekauft und eine Tragetasche, in der Lisa-Marie lag und die er auf den Beifahrersitz zwischen Handschuhfach und Rückenlehne klemmte. So konnte er die Kleine beim Fahren streicheln, mit ihr reden und ihr den Schnuller immer wieder in den Mund stecken, wenn sie ihn ausspuckte und schrie. Natürlich wusste er, dass er Lisa-Marie auf diese Weise alles andere als sicher transportierte, aber jetzt auf die Schnelle konnte er es nicht ändern und war überzeugt davon, dass so kleine, vollkommen unschuldige Seelen mindestens einen, wenn nicht mehrere Schutzengel hatten.
    Lisa-Marie trank gut, hatte keinen wunden Po und war äußerst genügsam. Meist schlief sie. Manchmal seufzte sie tief, und Jonathan wunderte sich, dass Neugeborene, die erst wenige Stunden alt waren, schon so tief und herzhaft seufzen konnten.
    Um siebzehn Uhr hatte er Hamburg verlassen. Lisa-Marie schlief und wurde nur einmal wach. Er fuhr so schnell, wie es sein Wagen erlaubte, und war nachts um eins in München.
    Jonathan konnte nicht mehr. Er war vollkommen fertig und schaffte es nur mit Mühe bis zum Rasthof Holzkirchen. Dort fütterte und wickelte er Lisa-Marie wie in Trance, so müde war er, und als sie still in ihrer Tasche lag, fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Um drei Uhr wurde er wach und fühlte sich fit genug, um weiterzufahren. Lisa-Marie atmete ruhig, ihre Wangen waren leicht gerötet. Hoffentlich hat sie kein Fieber, dachte Jonathan und hatte nur den einen Wunsch, so schnell wie möglich La Passerella zu erreichen.
    Jetzt in der Nacht war die Autobahn frei, und er raste dem Brenner entgegen.
    Bei Sonnenaufgang, kurz vor Verona, begann Lisa-Marie zu schreien, und er musste anhalten. Füttern, wickeln, und diesmal komplett neu einkleiden, weil der Strampler vollkommen durchnässt war. In der Raststätte gab es keinen Wickelraum, und Jonathan musste die ganze Prozedur auf dem Beifahrersitz bewältigen.
    Es war bitter kalt. Jonathan ließ den Motor laufen, aber er sah, wie Lisa-Marie zitterte, als er sie auszog und abtrocknete. Um das Auto fegte ein scharfer Wind.
    Lisa-Marie glühte. Sie hatte eindeutig Fieber. Aber sie trank. Jonathan legte sie trocken und zog sie warm an. »Werd mir nicht krank, mein Mädchen, mein süßer Schatz«, flüsterte er, »halte durch, bald sind wir zu Hause!«
    Den Gedanken, dass das Fieber steigen und sie sterben könnte, versuchte er zu verdrängen.
    Bevor er den Wagen anließ, versuchte er noch, Sofia anzurufen. Lisa-Marie schlief bereits, sie würde keinen Ton von sich geben.
    Aber Sofia hob nicht

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