Der Menschenraeuber
seinen Augen abspielte, in seinem Kopf drehte sich alles, er schwankte, stieß gegen eine Harke und fiel gegen die Schuppenwand.
Henning fuhr herum, erkannte Engelbert, grinste dümmlich und ließ sich nicht stören.
Engelbert blieb stehen und wartete ab. Sekunden vergingen, die ihm wie Minuten vorkamen. Dann hörte er einen Laut, der ihn an das Grunzen eines Schweins erinnert und gleich darauf Neles Kichern.
»Sei still, Süße!«, flüsterte Henning. »Du willst doch nicht, dass gerade jetzt der Papa kommt, oder?«
»Nein, nein, nein …«, sang Nele.
»Warte hier auf mich«, raunte Henning und knöpfte sich die Hose zu, »ich muss nur noch kurz den anderen Tschüss sagen. Dann komme ich wieder und bringe dich nach Hause. Gut?«
»Gut.«
Henning warf Engelbert einen Blick zu, den dieser als Aufforderung interpretierte, und verschwand hinter dem Schuppen.
Nele saß auf dem harten Lehmboden, räusperte sich unentwegt und knatterte dabei wie eine alte Maschine. Vielleicht waren es die unzähligen Kümmerlinge, die in Engelberts Kopf kreisten, jedenfalls machte ihn dieses Geräusch wahnsinnig. Es regte ihn auf, und er wurde noch wütender. Er versuchte darüber nachzudenken, was er hier mitten in der Nacht in diesem elenden Schuppen verloren hatte, aber es gelang ihm nicht. Neles Räuspern hämmerte ihm ins Gehirn und machte jeden klaren Gedanken unmöglich.
Völlig unvermittelt sprang er plötzlich vor und warf sich auf sie. Nele riss vor Schreck die Augen auf, aber bevor sie schreien konnte, drückte er ihr die Hand aufs Gesicht. Mit seinem ganzen Gewicht presste er sie zu Boden, schlug den Rock hoch und spreizte ihr die Beine.
Engelbert war vollkommen außer sich und hatte seine Gier nicht mehr unter Kontrolle. Nele wimmerte leise, wie ein gequältes Wesen, das keine Hoffnung mehr auf Erlösung hat.
Schließlich schrie Engelbert auf und brach über der vollkommen leblosen Nele zusammen.
Draußen grölten die letzten Gäste Seemannslieder.
Nele bewegte sich und atmete stoßweise. Sie zog sich ihren Rock herunter und rollte sich auf die Seite, gekrümmt wie ein Embryo.
Engelbert rappelte sich hoch. Zwischen dem lauten Gesang und dem Geschrei der Betrunkenen bildete er sich ein, jemanden nach Nele rufen zu hören.
Er konnte sich kaum auf den Beinen halten und torkelte aus dem Schuppen. Der Festplatz war jetzt fast leer, zwei Jugendliche bauten bereits die Musikanlage ab und stapelten die leeren Bierkästen.
Henning saß mit drei Übriggebliebenen bei einem letzten Absacker. Einer von ihnen hatte den Kopf auf den Unterarm gelegt und schlief auf dem Tisch. Die übrigen schwiegen sich an und stierten auf die letzten Kümmerlinge in ihren Händen.
Als Henning Engelbert kommen sah, stand er auf.
»Komm«, sagte er nur.
Mühsam taumelten sie durch die Nacht. Bis zum Pastorat und von dort den Wirtschaftsweg entlang, der zum Haubarg von Hennings Eltern führte. Nach hundert Metern blieb Engelbert nach Luft ringend stehen und musste sich übergeben. Henning zog ihn hoch und schleppte ihn weiter.
Es waren nur noch ungefähr fünfzig Meter bis zum Haubarg.
Außerhalb des Ortes gab es keine Laternen mehr, und die Dunkelheit verschluckte die beiden. Nichts verriet, dass da jemand in der Nacht unterwegs war.
Am Haubarg angekommen, sah Henning, wie blass Engelbert war. Er kämpfte dagegen an, sich erneut zu übergeben.
Henning legte sich Engelberts Arm um die Schulter, schleifte ihn die Treppe hoch, zog ihm im Schlafzimmer Jacke und Hose aus und hievte ihn ins Bett.
Engelbert fiel augenblicklich in einen komaähnlichen Zustand und schlief seinen Rausch aus.
Henning verließ noch einmal die Wohnung und lief zurück zum Festplatz.
Mit der Taschenlampe leuchtete er in den Schuppen. Nele war nicht mehr da.
Bruno wachte auf, weil er ein ungutes Gefühl hatte. Die Nacht war so außergewöhnlich still, dass es ihm Angst machte. Er drehte sich noch ein paarmal von der linken auf die rechte Seite und versuchte sich zu beruhigen, indem er sich einredete, dass das nur ein eingebildetes, dummes Gefühl sei, viel eher müsse er sich Gedanken machen, wenn er Geräusche hörte – aber es half alles nichts. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, an Weiterschlafen war nicht mehr zu denken.
Also schaltete er seine Nachttischlampe ein, schlüpfte in seine Filzpantoffeln und zog den Bademantel über. Leise verließ er sein Schlafzimmer und ging auf dem Flur nur zwei Türen weiter.
Er öffnete die Tür. Die Straßenlaterne
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